»Wie lustig ist New Work?«

  • 27.03.2019
  • von Martin Ciesielski
Ein Artikel über den (Un)Sinn von Humor in neuen Organisationen und ein Inspirationsabend dazu ...
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 „Humor ist ein essentieller Teil
von Spontaneität, ein essentieller Teil
von spielerischem Verhalten,
ein essentieller Teil
der Kreativität, die wir brauchen,
um Probleme zu lösen,
egal wie ernst sie sind.“

John Cleese, Monty Python

Irgendwann in einem Gespräch schnappte ich den komischen Spruch auf: „Das klappt zwar in der Praxis, aber geht das auch in der Theorie?“. Im Falle von New Work verhält es sich weiterhin eher anders herum: Viele tolle, theoretische Ideen und Ideale müssen sich immer noch erst in der Realität und der alltäglichen Praxis beweisen. Schließlich geht es dabei ja nicht allein um agile Arbeitsmethoden und bessere Prototypen-von-was-auch-immer sondern, wie man auch nicht müde wird zu betonen, um eine neue Haltung, eine neue Kultur!

Dabei wird oftmals recht verbissen der jeweilige „Purpose“ des Unternehmens gesucht und die Startup-Feeling-Kickertische und -Bällebäder gegen ernsthafte Tiefe und Sinnhaftigkeit suggerierende Meditationsräume ausgetauscht.
Allerdings sollten wir uns vielleicht doch auch fragen, ob wir nicht zu früh ins betriebswirtschaftliche Seelenheil eingeschwenkt sind, noch bevor wir den Spaß in seiner humorvollen Tiefe ausgelotet haben. Dies gilt nicht nur für das Neue Arbeiten, sondern auch für Themen, wie dem allzu moralinsauer daher kommenden Klimaschutz.

Firmen, wie zum Beispiel die lustigen Einhörner können da durchaus Vorbildfunktion haben, wie man unternehmerische Tiefe mit Spaß und Humor verbinden kann. Doch wie genau funktioniert Humor? Vor allem: Wie funktioniert Humor in Organisationen? Sich dem Humor theoretisch anzunähern erscheint im ersten Augenblick vielleicht nicht allzu vielversprechend. Lebt Humor nicht auch vom spontanen, lebendigen Augenblick? Was soll es für einen praktischen Nutzen haben, über Humor in der Theorie nachzudenken?

Lasst es mich so sagen: Humor kann im richtigen Augenblick, richtig eingesetzt, die schlimmsten Folgen haben.

Humor ist, ähnlich wie andere Kommunikationswerkzeuge und-theorien auch, mit Vorsicht zu gebrauchen. Humor wirkt. Ansonsten hätte die Menschheit über die vergangenen Jahrtausende seinen Sinn für Humor sicherlich verloren.
Von daher macht es aus praktischen, aber auch aus ethischen Gründen Sinn, sich über Humor Gedanken zu machen.

Der Humorforscher John Morreal unterscheidet in Anlehnung an die Arbeiten der Psychologen Herbert Lefcourt und Rod Martin dabei zunächst zwischen drei funktionalen Perspektiven auf Humor und leitet daraus negative, verletzende und positive, konstruktive Seiten des Humors ab.

Die Superioritäts- oder Überlegenheitstheorien markieren die ältesten Funktionstheorien. Diese reichen zurück bis zu Platon, der dem Lachen eher skeptisch gegenüberstand, weil er in ihm eine Gefährdung der den Akteuren eigenen Rationalität uns ihrer moralischen Urteilskraft erkannte. Demokrit war seinerseits als „der lachende Philosoph“ bekannt, weil er über die menschlichen Torheiten lachte.
Das Lachen scheint sich aus dieser Perspektive durch eine hämische Boshaftigkeit gegenüber anderen Menschen auszuzeichnen. Auch heute noch findet man diese Spielart in Streich-Formaten im Fernsehen (Stichwort: „Verstehen Sie Spaß?“) und auf YouTube oder in den Programmen der meisten Standup-Comedians. Damit stehen sie auch in guter Tradition mit dem Staatstheoretiker, Philosophen und Mathematiker Thomas Hobbes, der das Lachen über den Gegner als eines der stärksten Werkzeuge im Kampf gegen den verlachten Gegner sah.

Humor wird dabei als ein Werkzeug zur Klärung von Statusfragen genutzt.
Dies gilt nicht nur von oben nach unten. Auch Menschen, die sich in völliger Ungewissheit über ihr tagtägliches Überleben, ihren Besitz und ihre Zukunft befinden, können Zuflucht darin finden, sich Anekdoten und Witze über die vermeintlich höheren Mächte auszudenken. Humor kann aus dieser Perspektive sowohl konstruktiv für den Unterdrückten und destruktiv für den Unterdrücker wirken.

Insbesondere bei Veränderungen und Transformationsprozessen, egal ob auf gesellschaftlicher oder organisationaler Ebene sollte daher stets darauf geachtet werden, wer dabei über wen und wie lacht, welche Medien und Inhalte dabei zum Einsatz kommen.

In den Bereich der Inkongruenztheorien des Humors fallen u.a. Gedanken von Immanuel Kant in der Kritik der Urteilskraft (u.a. § 54 „Das Lachen ist ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts.“) und von Arthur Schopenhauer im ersten Band von „Die Welt als Wille und Vorstellung (§. 13.)“. Dabei entsteht der jeweilige Humor aus einer Situation, in der bestimmte Erwartungen entstehen, die dann aber nicht oder zumindest anders als erwartet, erfüllt werden. In der Inkongruenztheorie geht es um die Ambiguitäten des Humors, seine absurden, irrationalen,  unlogischen Seiten. In der westlichen Philosophie und Wissenschaft war es jedoch stets das oberste Ziel, jegliche Inkongruenz im Denken und in den Beobachtungen auszumerzen. Inkongruenzen, Unstimmigkeiten, Widersprüche und Absurditäten zu akzeptieren oder sogar Gefallen an ihnen zu finden, deutet für viele Menschen auch heute noch auf ein unreifes, irrationales oder gar masochistisches Verhalten und Denken hin.
Im Gegensatz dazu, wurde diese humorvolle Sicht auf die Welt sicherlich im Surrealismus eines Magritte oder Dali gemacht, im absurden Theater eines Samuel Beckett, im Dadaismus oder von den Komikern der britischen Gruppe Monty Python produktiv gemacht und für durchaus gesund und kreativ erklärt.
Insbesondere in der heutigen Arbeitswelt, wo viel von Mehrdeutigkeiten, ja geradezu absurden Zuständen in Unternehmen gesprochen wird, dürfte der bewusste Umgang mit Humor aus dieser Perspektive eine zunehmen wichtige Rolle spielen.

Die dritte Theoriengruppe sind die Entspannungs- oder Erleichterungstheorien durch Humor. Dazu gehören die Betrachtungen Herbert Spencers „On the Physiology of Laughter“ sowie durch Sigmund Freud. Der Philosoph John Dewey griff ebenfalls diese Idee in seiner Theory der Emotionen auf und  beschrieb es so, dass Gelächter das Ende einer Phase von Anspannung und Erwartungen markiert.
Zu dieser Perspektive auf Humor kann man durchaus auch die Gedanken von Thomas von Aquin sowie Aristoteles Ausführungen in der Nikomanischen Ethik im vierten Buch zählen. Thomas von Aquin führt in der 168 Frage seiner Summa Theologica aus, dass es zwar mit Sicherheit eine Sünde des ausschweifenden Spielens gibt, aber genauso gibt es eine Sünde des zu geringen Spiels.
Das Lachen können über bestimmte Umstände oder Herausforderungen kann somit dazu beitragen, dass man Abstand gewinnt, dass man überhaupt erst in die Lage kommt, einen Perspektivwechsel einnehmen zu können, wie es auch bei dem Einstiegszitat von John Cleese deutlich wurde.

Spätestens hier dürfte auffallen, dass es uns womöglich an dem richtigen Humor mangelt, um den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Oder wann haben sie zum letzten Mal einen richtig guten Witz über den Klimawandel gehört? Wie steht es um das kräftige Ablachen über ihren Kontostand? Kennen Sie auch nur eine einzige künstliche Intelligenz persönlich, die über sich selbst lachen kann? Wie steht es um die witzigen Seiten des Digitalisierungsthemas für Unternehmen oder die Gesellschaft? Ja, genau das meine ich!

Die dunklen Seiten des Humors

Doch kommen wir noch einmal auf die Resultate der Arbeit von John Morreall zurück. Neben diesen wichtigen, übergeordneten Perspektiven auf die Rolle von Humor für Gruppen oder ganze Gesellschaften, beschäftige er sich auch mit den guten und negativen Effekten.
Auf Seiten der negativen, ja geradezu gefährlichen Seiten des Humors, benennt er drei Effekte: Unverantwortlichkeit, Vermeidung von Mitgefühl und die Beförderung von Vorurteilen.

Durch Zynismus und Ironie kann Verantwortung zumindest gefühlsmäßig und für eine gewisse Zeit abgegeben werden. Probleme mit den Kollegen oder mit der Branche, in der man tätig ist, werden „weggelacht“.

Darüber hinaus kann durch ein Lachen, z.B. über Minderheiten, deren Grundrechte in einer Gesellschaft verletzt werden, Mitgefühl vermieden werden. Ein sehr krasses Beispiel lässt sich im sadistischen Humor der amerikanischen Soldaten im Abu Ghraib Gefängnis im Irak und in vielen anderen, kriegerischen Umständen finden. Auf der einen Seite dient ein solcher Humor dem Selbstschutz, auf der anderen Seite ermöglicht er es aber auch erst, dass derartige Handlungen stattfinden und wiederholt werden können. Ähnliches lässt sich wohl durchaus auch für den ironischen Umgang mit Umweltaktivisten feststellen, damit man sich nicht mit der Ernsthaftigkeit des Themas auseinandersetzen muss.

Während die beiden zuvor genannten Humor-Effekte uns zu ganz bestimmten, praktischen Handlungsweisen (oder auch Nicht-Handlungsweisen) anleiten, bringt uns der dritte Effekte dazu, uns auf eine eher intellektuelle Art und Weise vom Gegenstand des Auslachens auf Distanz zu halten. Rassisten und Sexisten argumentieren gern mit Witz gegen ihre Hass-Objekte, da es auf derartigen Humor kaum eine funktionieren, rationale Antwort geben kann. Sie lassen es gar nicht erst zu einer wirklichen Begegnung mit anderen Realitäten kommen. In abgeschwächter Art und Weise kann dieser Humor-Effekt in jeder Gruppe zu Abgrenzungstendenzen führen und andere Denk- und Handlungsweisen als im wahrsten Sinne des Wortes lächerlich erscheinen.

Die guten Seiten des Humors

Ebenso, wie Humor helfen kann, mit den Absurditäten und Mehrdeutigkeiten des Lebens und Arbeitens besser klar zu kommen, genauso ist Humor selbst eine ambivalente Angelegenheit. Während er einerseits dabei hilfreich sein kann, auszugrenzen und sich über andere zu stellen, kann er genauso dazu dienen, eine offene Geisteshaltung zu kultivieren. Um Humorvolles und witzige Bemerkungen fallen lassen zu können, braucht es oftmals auch eine gewisse Grundneugier, das Sammeln von Informationen und das Einnehmen können unterschiedlicher Perspektiven.

Diese Art von Humor hilft Menschen dabei, sich für neue Erfahrungen und Veränderungen zu öffnen. Auch kann sie die Akzeptanz von kultureller Vielfalt sowie divergentes, kreatives Denken unterstützen.
Die Untersuchungen der Psychologin Alice Isen zeigen zum Beispiel, das Menschen, die zuvor an unterhaltsamen und humorvollen Aktivitäten teilnahmen (z.B. ein Comedy-Video schauten), in Brainstorming-Sessions weitaus mehr und vielfältigere Problemlösungen hervorbrachten.

Für die Führung eines jeden Unternehmens oder Teams ist es stets wichtig, auch Menschen dabei zu haben, die für sich selbst denken und herausfordernde Fragen stellen. Dabei hängt es sicherlich auch stark davon ab, wie, wann und unter welchen Umständen die Kritik humorvoll geäußert wird.
Damit einher geht sicherlich auch die Möglichkeit der Wutabfuhr und Angstbewältigung. In dem Moment, wo Probleme und Elenfanten im Raum offiziell und auf eine humorvolle Art und Weise benannt werden, kann der oder die Einzelne und das ganze Team besser damit umgehen.

Insbesondere Humor, der dabei hilfreich ist, über sich selbst lachen zu können, kann auch dabei helfen, das eigene, moralische Handeln zu verändern. In dem Moment, wo ich über meine eigenen Interessen und Anspruchshalten, meine Fehler und Unzulänglichkeiten lachen kann, gestehe ich das zum einen auch anderen zu. Daraus kann sich eine Art Grundgelassenheit im Umgang mit schwierigen Situationen entwickeln, die selbst tief verwurzeltes Kampf- oder Fluchtverhalten kaltstellen kann.  Humor kann auf diese Art und Weise zu einer verbesserten Selbstkenntnis beitragen, zu mehr Integrität und psychischer Gesundheit.

Vielleicht ist es am Ende auch eine Frage des guten Humors, ob wir die anstehenden gesellschaftlichen Transformationen bewältigen oder nicht. Womöglich sollte es mehr darum gehen, den Witz in den Themen zu finden, das Lustige, das, was uns Lust macht, mit den Herausforderungen unserer Zeit wieder mehr zu spielen. Gemeinsam mit Freude.

Na, dann lachen wir uns doch mal kräftig gesund
und in ein wirklich, wirklich neues Arbeiten hinein! HA!

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