»wenn eine idee früchte trägt«

  • 16.12.2020
  • von christiane kuerschner
Ein Interview mit BioBoden-Geschäftsführer Uwe Greff über die Verantwortung von Konsument*innen und dem Generationenwandel aus dem Acker ...
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Gutes Arbeiten ist nur ein Aspekt einer neuen Form des Wirtschaftens. Und nirgendwo wird das besser sichtbar als in der Landwirtschaft. Noch etwa 60 Ernten stehen den nächsten Generationen zu, dann sind die Böden ausgelaugt. Es ist JETZT Zeit, neu zu wirtschaften und nachhaltig und achtsam mit unserer Erde umzugehen. Die Bioboden Genossenschaft hat sich genau diese Aufgabe gestellt. Wir haben mit Vorstandsmitglied Uwe Greff gesprochen.

Welchen Ursprung hat die Bioboden Genossenschaft eigentlich?

Uwe Greff: BioBoden entstand aus der Arbeit der GLS Bank, der ersten sozial ökologischen Bank. Hier gehört die Förderung der ökologischen Landwirtschaft von der Gründung an zu den Säulen des Schaffens. Mit der Zeit gingen immer mehr Anfragen von Landwirt*innen aus ganz Deutschland zur Sicherung von Boden ein. Es stellte sich die Frage wie eine Lösung für das Problem aussehen könnte, dass Biohöfees immer schwerer haben, überhabt einen Zugang zu Boden zu bekommen. Dies war der Anstoß, der 2015 zur Gründung der BioBoden Genossenschaft führte.

Ein Bioboden-Grundgedanke ist, dass jeder Mensch 2000 qm benötigt. Woher nehmt ihr diese Zahl?

Uwe Greff: Diese Zahl errechnet sich so: Wir teilen die Weltackerfläche durch die Weltbevölkerung. Jeder Mensch hat durch seine Geburt das Recht zu leben und dazu braucht es Lebensmittel und für deren Anbau stehen ungefähr 2.000 qm pro Mensch zur Verfügung. Als diese Idee formuliert wurde, waren es noch 2.500 qm Boden (ein Morgen). Nun ja, die Menschheit vermehrt sich, fruchtbarer Boden leider nicht, im Gegenteil: Durch eine nicht nachhaltige Landwirtschaft, Bebauung und Verwüstung schwindet die Fläche fruchtbaren Bodens jedes Jahr.

Nicht jeder kann 2000 qm besitzen. Wie kann dennoch jede Person Verantwortung übernehmen?

Uwe Greff: Richtig, da kommt BioBoden ins Spiel. In unserer Gesellschaft ist es die Aufgabe der Landwirtschaft, für Nahrung zu sorgen. Durch eine Mitgliedschaft bei BioBoden hat man nun die Chance, „seinen“ Boden für eine nachhaltige ökologische Landwirtschaft zu sichern. Das bedeutet: Ich kaufe nicht nur Lebensmittel, sondern ich stelle den Landwirt*innen den Boden dafür zur Verfügung, in dem ich Genossenschaftsanteile zeichne. Wenn man bei BioBoden für 3.000 EUR Anteile zeichnet, können wir damit die 2.000 qm sichern. Wichtig ist dabei: Wir werden den Boden nicht mehr verkaufen und stellen so eine dauerhafte ökologische Bewirtschaftung sicher. Auf diese Weise haben wir in den letzten 5 Jahren für 70 Höfe Land gesichert, schon über 4.000 Hektar. Das war möglich, weil über 5.200 Mitglieder bei BioBoden Anteile gezeichnet haben.

@Claudia Hübschmann

Nach welchen Prinzipien betreibt die Genossenschaft Landwirtschaft?

Uwe Greff: Wir möchten zu einer regionalen, sozial eingebetteten, diversifizierten und ökologischen Landwirtschaft beitragen. Das gestaltet dabei jeder Landwirt im Kontext seiner Fähigkeiten und der regionalen geologischen und klimatischen Bedingungen aus. Eine Voraussetzung ist. dass sich unsere Partnerhöfe einem Bio-Anbauverband (Demeter, Bioland etc.) anschließen, bzw. angeschlossen haben. BioBoden betreibt auch selbst Landwirtschaft und zwar unter der Marke Höfegemeinschaft Pommern, wo wir auch noch Bildungsaspekte und Themen der Regionalentwicklung aufgreifen. Denn die Zukunft der Landwirtschaft kann nur ökologisch sein.

Zu der Bildungsarbeit gehört auch das Projekt Weltacker. Worum handelt es sich dabei und welches Ziel hat es?

Uwe Greff: Die Idee des Weltackers ist es, über unsere Landwirtschaft auf zu klären. Er ist also eine lebende Ausstellung, auf der die verschiedenen Kulturpflanzen und ihre Bedeutung für den Menschen erklärt wird. Wir interpretieren unseren Weltacker so, dass er den Menschen ein Bild von den heimischen Pflanzen vermitteln und zur Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft anregen soll. Er ist für uns auch ein Testfeld, auf dem wir neue Dinge ausprobieren.

Wir haben vor einigen Jahren Honigmelonen auf dem Weltacker angepflanzt. Das Ergebnis war so gut, dass die Melonen jetzt einen großen Acker bekommen und in die Vermarktung gehen. Aber auch die traditionellen Pflanzen haben einen Raum: Zu DDR-Zeiten war der Tabakanbau eine Möglichkeit der Landbevölkerung, sich ein Zubrot zu verdienen. Auf unserem Weltacker geben nun Damen aus dem Dorf Workshops und zeigen, wie sie in Handarbeit den Tabak geerntet, getrocknet und zur Verarbeitung vorbereitet haben. Landwirtschaft muss sich immer weiterentwickeln und hat eine starke soziale Komponente. Diese Mischung aus Tradition und Innovation wollen wir für Besucher auf dem Weltacker erlebbar machen.

Ich muss an den Aus- und Anspruch „Kultur ist Lebensmittel“ denken. Sind nicht auch die Lebensmittel ein Stück Kultur? Es scheint an der Zeit zu sein, Ernährung und Landwirtschaft (wieder) viel mehr Raum in unserem Alltag und der Bildungsarbeit zu schenken. Was sind in der Zusammenarbeit mit Schulen auf dem Weltacker eure Erfahrungen? Welchen Bezug haben Kinder zu Lebensmitteln?

Uwe Greff: Wir leben im Anthroprozän, dem Zeitalter, indem der Mensch die Welt entscheidend prägt. Auch die Natur gibt es nur noch dort, wo sie von uns bewusst belassen wird. Vom Boden über das Saatgut, der Landwirtschaft  bis zur Kaufentscheidung unsere Ernährung ist absolut eine Frage der Kultur. Und sie prägt die Landschaft, denn 50% unsere Flächen in Deutschland sind landwirtschaftlich genutzt. Jungen Menschen eine Wertschätzung für Lebensmittel und die Arbeit, die sie hervorbringt zu vermitteln, ist ein wichtiger Baustein, um zu einem Umdenken in der Ernährung zu kommen.

Bioboden spricht von einem Strukturwandel in der Landwirtschaft. Wie können wir uns den vorstellen? Ist er positiv und negativ und für wen?

Uwe Greff: Der Strukturwandel von dem wir sprechen, ist im Wesentlichen eine Auswirkung einer demographischen Veränderung. Aktuell gehen die geburtenstarken Jahrgänge der „Baby-Boomer“ auf das Rentenalter zu. Viele Hof-Gründer*innen der Biobewegung sind Teil dieser Generation. In der Folge stehen überall, auch in der ökologischen Landwirtschaft die Generationenwechsel an. Da jedoch zu wenige junge Menschen einen landwirtschaftlichen Beruf ergreifen und damit die Grundlage unseres Lebens mit dem Boden erarbeiten, freuen wir uns über Jede und Jeden, der die Landwirtschaft regenerativ, vielfältig und mit familiengerechten modernen Arbeitsformen zukunftsfähig weiterentwickelt.

Mehr dazu im Deutschlandfunk-Beitrag „Landwirt ohne Land – Steigende Bodenpreise bringen Bauern in Bedrängnis“.

Die Aufgabe in diesem Strukturwandel ist es, die jungen Landwirt*innen, die ökologische Landwirtschaft machen möchten, zu unterstützen, damit sie auch ohne viel Kapital Höfe bewirtschaften können. Die gesellschaftlichen Herausforderungen, wie Klimawandel, Biodiversität und lebenswerte ländliche Räume sind so groß, dass wir Alle uns engagieren sollten, Das ist eine gewaltige Aufgabe, die unsere Arbeit sicherlich die nächsten zehn Jahre prägen wird.

Der Wandel kann negative Folgen haben, wenn wir durch ihn Vielfalt und ökologisch bewirtschaftete Flächen verlieren. Positiv ist es für alle Junglandwirte mit Lust auf Unternehmertum. Mit etwas Geduld und räumlicher Flexibilität gibt es eine Auswahl an Chancen, die es in den letzten 30 Jahren so nicht gab.

Welche Veränderungen braucht es in Wirtschaft und Gesellschaft, um das Bioboden-Prinzipien auf andere gesellschaftspolitische Bereiche übertragen zu können?

Uwe Greff: Biolandwirte erhalten in Euro ausgedrückt nicht genug für den Aufwand, den Sie betreiben, um möglichst nachhaltig, ressourcenschonend und tierwohlorientiert Lebensmittel zu produzieren und unsere Kulturlandschaft zu pflegen. Der Ertrag reicht nicht aus, um die Grundlage ihrer Arbeit, den Boden, sowie eine nachhaltige Produktion zu finanzieren. Deshalb müssen sich Verbraucher, denn das sind unsere Mitglieder ja in erster Line, über den Lebensmittelmarkt hinwegsetzen und durch BioBoden die nachhaltige Landwirtschaft fördern. Es geht darum, richtig zu rechnen und sich klar zu machen, welchen Preis andere für unsere Versäumnisse werden zahlen müssen. Als Gesellschaft sollten wir uns also immer die Frage stellen, was etwas wert ist und es dann auch bezahlen.

Es werden immer mehr Unternehmen sichtbar, die sich enteignen und auf ein Stiftungsmodell setzen, um die nachhaltige Wirkung des Organisation sicherzustellen. Seht ihr in dieser Purpose-Bewegung die Zukunft der Wirtschaft?

Uwe Greff: Sie ist ein vielversprechender Ansatz. Wir haben 2017 aus dem gleichen Grund eine Stiftung gegründet, der nun bereits drei Höfe und etliche Stückländereien geschenkt wurden. Die Eigentümer kommen zu dem Schluss, dass sie Ihrer Verantwortung am besten gerecht werden, wenn Sie Ihr Eigentum aus dem Erbstrom heraus und in die Hände einer werteorientierten Organisation geben. Zukunftsweisend daran ist die Anerkennung des eigenen Lebenswerks, als etwas, dass man der Umgebung nicht mehr nehmen will. Es wurde mit anderen und für andere geschaffen.


@Wolfgang Schmidt

Uwe Greff war von 1993 bis 2015 leitender Mitarbeiter der GLS Gemeinschaftsbank eG und für diese in diversen Funktionen tätig. 2009 wurde er Gründungsgeschäftsführer der BioBoden Gesellschaft (BBG), dem Vorgängermodell der BioBoden Genossenschaft.

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