»vita communis«

  • 15.12.2021
  • von christiane kuerschner
  • Lesezeit: 6 Minuten
Die Geschichte der Burra und ein Buch als Liebeserklärung an das Büro als Ort der Ko-Kreation und Gemeinschaft ...
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Es gibt die einen und die anderen. Die einen lachen hämisch über Büroklatsch in der Teeküche, kränkelnde Zimmerpalmen und nicht-ergonomische Bürostühle. Als mit Corona das Homeoffice ganz neu gedacht wurde und für viele das Remote-Arbeiten zur neuen Lebenswirklichkeit geworden ist, waren sie zunächst erleichtert. Kein Arbeitsweg mehr, kein Großraumbüro und mehr Gemütlichkeit am heimischen Arbeitsplatz. Und es gibt die anderen. Die in der Teeküche über den Büroklatsch lachen, der kränkelnden Zimmerpalme gut zusprechen und eine Unterschriftenliste für ergonomische Bürostühle ins Leben rufen.

„Ich geh‘ dann mal ins Büro“. Das ist ein typischer Satz. Aber was ist denn eigentlich dieses Büro, wenn wir Wissensarbeiter*innen von überall arbeiten können? Was vermissen nach zwei Jahren Pandemie so viele von uns, wenn sie an „das Büro“ denken? Sicher nicht die funktionalen Schreibtische und filzigen Teppichböden.

„Gut geführte Büros vereinen in sich Poesie und Funktion. Beide Elemente sind der Weg zu offenen, freien und kleinen Wundern wirkende Arbeitswelten.“

Mit freundlicher Genehmigung von Studio Lewicki.

Zum Ende dieses Jahres möchte ich ein Buch empfehlen, das eine Vision davon eröffnet, was Büros in Zukunft sein können. „Burra“ erschien bereits 2018, also vor der Pandemie. Und trotzdem ist es ein Lichtblick, der Lust auf Gemeinschaft, Kreativität und Austausch im New Normal macht.

Autor Prof. Jan Teunen ist nicht nur Geschäftsführer der Teunen Konzepte GmbH, sondern auch Kulturphilosoph, der sich in verschiedenen Formaten für Büros als Lebensräume einsetzt (hier kann man einen Blick in sein eigenes Büro erhaschen). Das Buch entwickelte er gemeinsam mit Kulturhistoriker und Ausstellungsmacher Dr. Hajo Eickhoff. Mit ihm brachte er bereits das umwerfend schöne und mehrfach ausgezeichnete Buch „Ethik – Ein Brevier für Gestalter“ heraus.

„Burra“ ist eine Parabel, die zurück ins Mittelalter führt. Dort hat der Begriff „Burra“ seinen Ursprung im klösterlichen Leben, in dem Mönche ein stetiges Heim fanden (Stabilität loci), gemeinsam arbeiteten, beteten und lasen (Ora, labora et lege) und Gemeinschaft lebten (Vita communis). Teunen und Eickhoff spannen den Bogen weit, zeigen Parallelen zwischen Bürogemeinschaften und Ordensbrüdern auf.

„Die Mission der Benediktiner-Regel liegt nicht im Vorankommen Einzelner, sondern in der Bewahrung und Weiterentwicklung des Unternehmens Kloster: Leben und Arbeiten unter der Regel heißt Versammlung“.

Sie gehen zurück an die Anfänge, verweben Originelles mit historischen Fakten und schaffen so einen Gründungsmythos, der durch den Blick zurück eben zeigt, was das Büro von morgen (wieder) sein kann.

„Genügt es, einen Raum und das notwendige Equipment zur Verfügung zu haben? Ein Lebensort braucht auch ein geeignetes Umfeld und ein Ambiente“.

Und so wird aus der Burra, einem Stück Filzgewebe, mit dem Tische bespannt wurden, im französischen „Bureau“, der Arbeitstisch selbst – um heute als Raum, das Büro, verstanden zu werden.

Die letzten Monate zeigten, dass unser Equipment, der Rechner und das Headset, kein Büro mehr als Verortung braucht. Vielleicht macht diese befreiende Tatsache nun den neuen Raum für das Büro als Ort der Gemeinschaft und Ko-Kreation auf.


Burra – Der fabelhafte Aufstieg der Büroarbeit
Friedrich Blaha Friedrich Blaha (Herausgeber), Jan Teunen (Autor), Hajo Eickhoff (Autor)
avedition, 2018
164 Seiten, 44 Euro
ISBN‎: 978-3899862935

Mehr Buchempfehlungen findet ihr auch noch hier in unserer Bücherliste.

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