»Spüren, ob man noch anecken kann«

  • 18.07.2018
  • von Gerhild Vollherbst
Über falsche Träume und übers Arbeiten aus Überzeugung – ein Interview mit Thomas Zimmermann von swapwork ...
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Wir haben eine kleine Interview-Reihe gestartet, mit Menschen, mit denen wir bei Les Enfants Terribles zusammen arbeiten, denken, gestalten. Hier mit Thomas Zimmermann, dem Mit-Gründer von swapwork und einer unserer Guest Speaker bei unserer Ausbildung zum New Work Professional, die ab September startet.

Was ist für dich gutes neues Arbeiten?
Früher hatte ich einen „Dayjob“ um die Projekte zu finanzieren, dich mich wirklich interessierten: „Die Pflicht ruft, die Kür kommt irgendwo dazwischen“. Heute muss ich das nicht mehr trennen; ich werde für das bezahlt, was ich ohnehin gern tue. Ich arbeite sogar aus Überzeugung, weil meine Arbeit hilft gemeinwohlorientierte Projekte noch effektiver zu machen, mir also sinnvoll erscheint. Als Berater könnte ich anderswo das Fünffache verdienen, aber so viel Geld brauche ich gar nicht und so viel Verschleiß, Vereinsamung und Sinnentleerung kann ganz schön abschreckend sein. Stattdessen erlebe ich täglich immaterielle Geschenke: In meiner heutigen Arbeit treffe ich auf Menschen, die sowohl meine Werte als auch ihr Wissen gerne teilen. In dieser aufgeweckten Gemeinschaft fühle ich mich zuhause. Bei den Yequana-Indianern im Amazonas-Gebiet gibt es gar keinen Begriff für Arbeit, sie trennen daher auch nicht zwischen „Freizeit“ und „Arbeit“ (vgl. Liedloff 1975). Sie sind stets sie selbst und ganz im Element, frei von Stress und Selbstausbeutung. Ich finde das sehr fortschrittlich.

Wie bringst du das Thema in die Welt?
Ich bin kein Prophet, ich lebe einfach selbst den Wandel, den ich mir generell wünsche. Wenn ich das authentisch tue und dabei auf Andere glücklich wirke, überträgt sich das Konzept von ganz allein. Fachlich gesehen liegt mein Schwerpunkt auf agilem Arbeiten. Ich habe gelernt wie Teams und Organisationen eine Kultur entwickeln können, die höchst anpassungs-, lernfähig und intrinsisch motiviert ist. Dazu braucht es ein grundlegend neues Denkmodell wie das agile Mindset und Methoden wie Scrum. Diese Elemente vermittle ich zusammen mit Kooperationspartnern und meinen beiden Kollegen Alexander und Jörg in Workshops, Trainings und längeren Projekten als externer Coach. 

Was hilft dir, ein (gutes) Enfant Terrible zu sein?
Scheinbar wird man schon als enfant terrible eingestuft, wenn man nach dem Sinn der Arbeit fragt. Das ist mir früher also ständig passiert. In der Blase, in der ich heute lebe, bin ich damit eher Mainstream. Darum verlasse ich meine gewohnten Kreise regelmäßig und bewusst – um zu spüren, ob ich noch anecken kann. Es kann anstrengend sein, eine unbequeme oder konträre Überzeugung zu vertreten. Aber sie nicht zu vertreten, fühlt sich am Ende schlimmer an. 

Welche Frage bewegt dich denn sonst zur Zeit?
Aktuell beschäftigt mich die Frage wie wir die Epoche der wachstums- und konsumorientierten Lohnarbeit hinter uns bringen können. Wir werden bald erkennen dass wir uns falschen und fremden Träumen hingegeben haben. Ich hoffe, wir wachen vom Lärm der kritischen Ideen auf, und nicht erst vom Klang der Implosion der westlichen Systemblase: „Plop!“ – Das wäre dann wohl zu spät.

Unser Interview mit Julia Carloff-Winkelmann von SoundCloud, die ebenfalls Guest Speaker bei unserer „Ausbildung für gutes neues Arbeiten“ ist, findet Ihr hier.

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