»Rockstar der fraktalen Organisation«

  • 28.10.2020
  • von Marion King
Über das Weichselbaum-System, Fraktale, den Wert der Zeit und Haltung, Haltung, Haltung ...
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Ernst Weichselbaum war 28 Jahre lang beim österreichischen „Hidden Champion“, dem Büromöbelhersteller Bene, tätig, zuletzt als Geschäftsführer. Dort hat er über die Jahre „durch Beobachtung und mit Hausverstand“ viele gute Prinzipien und Praktiken für eine flexiblere Arbeitszeit, für partizipative Formen der Zusammenarbeit und neue Entlohnungssysteme entwickelt und implementiert. Er ist ein großer Experte im Bereich „Supply Chain“, Produktions- und Fabrikorganisation.

Weichselbaum selbst ist eine Art „Hidden Champion“, denn mit seinem System der „Zeitorientierten Betriebswirtschaft“ war er 1982 als Pionier seiner Zeit weit voraus. Und er ist es mit Blick auf die heutige Führung von Unternehmen wahrscheinlich immer noch.

Bisher war Ernst Weichselbaum zu beschäftigt damit, mittelständischen Unternehmen eine neue moderne Art der Betriebsführung näher zu bringen. Jetzt hat er die wichtigsten Prinzipien in einem Buch zusammengestellt. Dieses Buch wird von Niels Pfläging herausgegeben, einem der wichtigsten Vordenker im „New Work“-Kontext, der sich in zahlreichen Büchern und Publikationen und mit seiner Arbeit mit dem guten Umgang mit Komplexität auseinandersetzt.

Er hat zusammen mit Ernst Weichselbaum sein Konzept in 90 Leitsätzen zusammengefasst, die das Grundgerüst des Buches bilden. In vier Abschnitten werden die Grundlagen des Weichselbaum-Systems, Theorie und Praxis der Nahtstellenorganisation und Zeitorientierte Unternehmensführung sowie die konkrete Praxis-Umsetzung durchlaufen. Wie immer in den Pfläging’schen Büchern ist alles sehr übersichtlich gestaltet, gut zu erfassen, zu begreifen – und dann mit sehr viel Tiefgang. Pfläging lädt dazu ein, durch dieses Buch zu „flanieren“. Und genau das macht sehr viel Spaß!

Um was geht es also in diesem Buch?

Es geht vor allem um den Begriff von „Zeit“, um die Einteilung und Nutzung von Zeit, um Wertschöpfung. Es fängt an bei der kleinsten Einheit – zwei Menschen im Dialog. Es geht um Begegnung, um Interaktion, um Jetztheit. Weichselbaum sagt, dass „Verantwortung aus diesem Moment heraus entsteht“. Er spricht über das Entstehen von Autorität und von Vereinbarungen zwischen den Menschen.

Es geht um Zeitorientierte Betriebswirtschaft – weg kommen von einem Denken in Kapazitäten (Mengen, Losgrößen, Auslastung etc.), hin zu einem Denken in Rhythmus und Geschwindigkeit. Jede Leistungseinheit ist dabei das Fraktal der Gesamtleistung.

„Nahtstellenorganisation“ ist dabei ein Begriff für eine andere Art, Zusammenarbeit zu denken und zu planen. „Der Ort der Interaktion zwischen Leistungseinheiten (z. B. Teams) steht im Vordergrund.“ Es geht um Teilhabe, um Rituale und um Autonomie. „Von der Arbeitskraft über Mitarbeiter zum Mitdenker, Mitverantworter, Mitunternehmer.“

Es geht auch und vor allem um den systemischen Blick. Weichselbaum spricht dabei von der „Notwendigkeit der Systemüberwindung“, d. h. sich nicht immer zu fragen, was man optimieren, besser machen kann, sondern sich die Frage nach dem Andersmachen zu stellen. Es geht um Haltung, Haltung, Haltung.

Das Buch startet groß mit einem wunderbaren Zitat von Albert Schweitzer:

Die größte Entscheidung deines Lebens liegt darin, dass du dein Leben ändern kannst, indem du deine Geisteshaltung änderst.

Fraktale Fabriken, zeitorientierte Betriebswirtschaft, Nahtstellenorganisation: Ernst Weichselbaum wird unter Kenner*innen auch als „Rockstar der fraktalen Organisation“ bezeichnet – zu Recht. Seine Ideen sind verblüffend einfach und greifbar und dabei aber auch völlig revolutionär zu den gängigen Organisationsmodellen. In dem sehr schön gestalteten Buch finden sich mehr als 90 griffige Leitsätze, die das Weichselbaum-System ausmachen und Lust darauf machen, alte Systeme über Bord zu werfen und Neues – und Einfacheres – zu wagen. Es ist eine tolle Inspiration für alle, die sich schon vertieft mit dem Thema „New Work“ auseinandergesetzt haben, aber eben auch ein guter Einstieg, um sich mit zukunftsfähigen Organisationsmodellen auseinanderzusetzen. Lesen, Leute!

Mit Niels Pfläging haben wir übrigens hier ein Interview zum Umgang mit Komplexität  geführt und hier haben wir mit seiner Partnerin Silke Hermann über ihr neues Konzept von „OpenSpace Beta“ gesprochen.

Mehr Buchempfehlungen findet ihr auch noch hier in unserer Bücherliste.


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