»Neue Wege spielerisch entdecken«

  • 22.05.2019
  • von Bianca Bischof
Wie das Bauen mit Lego Dinge begreifbarer macht und damit ganze Teams auf ein Ziel fokussieren kann ...
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Julian Kea ist Moderator, Trainer, Scrum Master, Co-Mediator und Change Agent für Profit- und Non-Profit-Organisationen. Er konzipiert Workshops und Trainings zu dem Thema Strategieentwicklung mit der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode. Damit erarbeitet er jene Antworten auf Fragen, die nicht immer klar und direkt im geschäftlichen Kontext sichtbar sind: Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit, was sind unsere nächsten Schritte, was ist die Logik unseres Handelns und woran orientieren wir unsere Entscheidungen?

Lieber Julian, du beschäftigst dich u.a. mit der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode als Tool zur Strategieentwicklung. Erzähl uns doch mal etwas über diese Methode. Wie funktioniert sie? Und was genau steckt dahinter? Welche Konzepte, Tools, Denkrichtungen kommen hierbei zur Anwendung?

Kurz gesagt ist die LEGO® SERIOUS PLAY® Methode eine moderierte Problemlösungstechnik, um sich auf die Zukunft vorzubereiten. Die Methode wurde Mitte bis Ende der Neunziger Jahre von der LEGO-Gruppe in Zusammenarbeit mit zwei Professoren der privaten Wirtschaftshochschule „International Institute for Management Development (IMD)“ in Lausanne entwickelt.

Der Prozess ist schnell erklärt: Die Teilnehmenden werden eingeladen, ein Thema zu explorieren, indem sie eine Frage mit einem LEGO-Modell und der anschließenden Erklärung ihres LEGO-Modells beantworten. Das LEGO-Modell wiederum lädt zur weiteren Erkundung und zum Nachfragen durch die anderen Anwesenden ein. Dieses Nachfragen vertieft das gemeinsame Verständnis. Alle Teilnehmenden bauen und erklären gleichermaßen, was in der Konsequenz zu vielen Erkenntnissen rund um das Workshop-Thema führt. Nach mehreren Runden, bei denen Kernaspekte, Einflussfaktoren, Ziele und Beziehungen von Systemkomponenten visualisiert sind, treten emergente Phänomene auf: Neues entsteht.

Ich habe jetzt immer ganz bewusst von “dem Thema” gesprochen, denn LSP kann bei vielen Anliegen eingesetzt werden. Das Wichtigste ist, dass der Workshop-Mittelpunkt hinreichend komplex und es gerade deshalb wichtig ist, dass wirklich alle im Raum zur Lösung beitragen.

So wie es klingt, ist es auch: eine kreative Technik, die die Vorstellungskraft anregt. “Strategische Imagination” im Sinne des LEGO SERIOUS PLAY bedeutet, Dinge und Systeme zu beschreiben, zu erschaffen und zu hinterfragen. Ich sage ganz gerne “Hacken” dazu. Anregend ist es auch, da mit den eigenen Händen und Objekten “gedacht” und kommuniziert wird – Konstruktionismus ist hier der Fachbegriff.

Das “Spielen” ist Selbsterfahrungsfeld mit viel Kommunikation, Emotionen und einem konstruktiven Wettbewerb, um nur drei dahinterliegende Konzepte zu erwähnen. Flow, Konstruktionismus, Metaphernarbeit und Storytelling sind zum Beispiel weitere.

Wie können wir uns den Ablauf einer Strategieentwicklung mit der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode vorstellen? Und was bringt sie dem Unternehmen?

In vier Schritten: Ausgangslage verstehen, Zielbild erarbeiten, Einflussfaktoren erkennen, Möglichkeiten simulieren. Aus diesem Grund nutze ich LSP auch gern als Akronym für “Let’s Simulate Possibilities!”

Die konkreten Fragen und das konkrete Workshopdesign hängen natürlich von der Situation, den Teilnehmenden und deren Vorwissen zum Thema, den tatsächlich veränderbaren Bedingungen und dem Workshopziel ab. Einer meiner Kunden kommt mir dazu in den Sinn: Das Team einer Innovationsabteilung hat so konkrete Entscheidungen für seine zukünftige Ausrichtung vorbereitet. Dies beinhaltete das radikale Bereinigen seines Angebotsportfolios (Stichwort: Nein-Sagen) und eine klare Argumentationslinie, warum dies geschieht.

Das Ergebnis eines solchen Prozesses sind explizite handlungsleitende Prinzipien, an denen sich die Teilnehmenden zukünftig orientieren können. Und selbstverständlich entstehen im Laufe dieses Prozesses einige Ideen, die es im Nachgang zu verfeinern und testen gilt.

Durch die Methode lassen sich auch Antworten auf jene unbewusste Fragen finden, die für Teams / Organisationen zwar treibend, jedoch (noch) nicht sichtbar, also greifbar sind. Ist das richtig so?

Ich würde sagen, die Fragen und Themen sind häufig schon teilweise bewusst, jedoch noch nicht final für das Team formuliert und ausgesprochen, weil sie nur als „halbgare Ideen“ abgestempelt werden. Zudem fehlen oft Zeit und Aufmerksamkeit, um sie zu umschreiben.

Ein LEGO-Modell und seine Erklärung können hier nicht nur das bessere Verständnis ermöglichen, sondern zudem auch neue Lösungsimpulse für jene “unfassbaren” Themen zutage bringen, da alle Anwesenden ihre Modelle teilen und gegenseitig erforschen.

Konkret können dies Fragen und Antworten sein, rund um Themen wie beispielsweise Zusammenarbeit, Wirkkreise und Wertbeiträge des Teams oder (Unternehmens-/Führungs-/Marken-) Werte und was diese für die Teamarbeit bedeuten.

Hans Tuteja (c)

Du trägst mit deiner Arbeit zum Wandel der Arbeitskultur auf spielerische Art bei. Wie erlebst du diesen Wandel?

Menschen finden ganz automatisch gute, ressourcenschonende Lösungen – und das gilt auch für den Wandel. Mal sind diese der “Weg des geringsten Widerstands” – ganz im positiven Sinne gemeint, mal sind dies Innovationen, die sich als pragmatisch, praktisch, gut erwiesen haben. Das sind neue Lösungen, die gut funktionieren – trotz bestehender Regelwerken, Vorschriften und Management – ja auch unter Erfüllung teils sehr komplexer Kundenanforderungen, Regulatorik oder sicherheitsrelevanter Anforderungen.

Und dann gibt es viele Lösungen, die in der Vergangenheit funktioniert haben und nun nicht mehr zeitgemäß sind. Einerseits haben wir uns an dieses Vorgehen gewöhnt (Stichwort: Komfortzone), und andererseits sind diese ja häufig auch genau so “festgeschrieben” – in den Köpfen oder in Regelwerken (Stichwort: Das wird auf einer anderen Ebene entschieden.)

Da die Arbeitsauslastung häufig sehr hoch ist und es schwer sein kann, nebenbei „am System“ zu arbeiten (Stichwort: “Säge schärfen”), kommt die kontinuierliche Verbesserung ins Stocken. Ein Teufelskreis kann entstehen: Überforderung fördert Druck und beides geht zu Lasten der psychischen Sicherheit, des Vertrauens und Muts zu Innovationen.

Dann benötigen wir nicht nur die Zusammenarbeit und Reflexion des eigenen Handelns, sondern auch der Umgang mit den neuen Anforderungen an die eigene Arbeit und Wirkung ein Update.

Was sind für dich aktuell die größten Herausforderungen, die wir in unserer komplexen Arbeitswelt zu bewältigen haben? Welche Fähigkeiten/Fertigkeiten braucht es für dich, ein gutes Miteinander zu gestalten?

Die Anteile an komplexer Arbeit steigen. Hier können eben nicht Einzelne oder einige wenige das richtige Vorgehen kennen und planen. Es braucht neue Lösungen, die anders entstehen: Annahmen treffen, diese gezielt testen, daraus lernen und dann die nächsten Schritte entscheiden, um dann natürlich wieder eine Annahmen zu treffen, diese gezielt zu testen, usw.

Entscheidungen treffen und Zustände der Unregelmäßigkeit aushalten können, sind zwei Fähigkeiten, die mir nach einem Workshop aus der letzten Woche ganz spontan einfallen. Und natürlich agile Arbeitspraktiken, die mit agilen Werten, Prinzipien und Praktiken Lösungen im Umgang mit diesen Zuständen anbieten.

Das Spiel im Sinne von Gedanken-Spiele und Workshops als sichere Spiel-Orte, um sich auf die Zukunft vorzubereiten, können dabei hilfreich sein. Das Spiel an sich, ist ja eine Einladung zum proaktiven Handeln und Einfluss nehmen, zum Rollen- und Perspektivwechsel, zum Erleben und Reflektieren des eigenen Handelns und das alles in einem geschützten Rahmen, mit dem Ziel, sich auf die reale Situation vorzubereiten. Also genau das Denken und Handeln, was im Arbeitsalltag häufig vermehrt Einzug halten soll.

Wenn ein Team sich weiterentwickeln und zusammenwachsen soll, wenn das Team die Logik seines Handeln verstehen, die Lern- und Fehlerkultur positiv beeinflusst werden soll, um so  ein gutes Miteinander zu gestalten, dann wünsche ich mir mehr Spiel!

Und nun ganz konkret: Welche drei Werte sind für dich im Zusammenhang mit >> gutem neuen Arbeiten << essentiell?

  1. Selbstbewusstsein, -vertrauen und -verantwortung
  2. Intuition und pro-aktive Innovation
  3. Pragmatische lösungsorientierte Professionalität

Ok, das waren mehr als drei.

Das macht nix, Julian. 🙂

Sag uns noch: Was ist für dich ein “good Enfant Terrible”? Bist du selbst eins? Und wenn ja, warum?

Hack- und Crack-suchend!

Ok, also das mit dem Hacken habe ich ja bereits erwähnt: Systeme sanft zu erschüttern, durch Beschreiben, Weiterentwickeln und erkunderisches Hinterfragen. Crack-suchend sollte ich erklären: Ich meine das ganz im Sinne von Leonard Cohen’s Gedicht “There is a crack, a crack in everything. That’s how the light gets in.” Quasi die Haltung beim Hacken: Auf der Suche nach dem Knack, durch den das Neue hinein kann.

Ich bin eins, weil ich stetig übe.

Vielen lieben Dank für das Interview!


Wer nun mehr von Julian und der Methode LEGO® SERIOUS PLAY® wissen möchte, hat am 15.06.2019 dazu die Möglichkeit. Julian ist Speaker/Impulsgeber bei unserem nächsten Good Enfants Terribles-Tag in Berlin zum Thema >> Erwachsen-Sein und Spielen <<. Spielerisch erforschen wir zusammen Situationen, die uns tagtäglich im Joballtag herausfordern und emotional aufwühlen. Wir werden gemeinsam ausprobieren, wie wir in diesen Situationen unser Verhalten zeitnah ändern – und so über uns hinauswachsen können, um ein (gutes!) Enfant Terrible zu sein.

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