»Hochsensibel? Ich?«

  • 09.05.2018
  • von Joanna Gröning
Über den Umgang mit Hochsensibilität – nicht nur im Kontext von New Work ...
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Was ist Hochsensibilität?
Was soll das?
Und was hat das mit New Work zu tun?

Schon in den 1930ern hat Eduard Schweingruber in seinem (leider vergriffenen) kleinen Buch „Der sensible Mensch – Psychologische Ratschläge zu seiner Lebensführung“ über hypersensible Menschen geschrieben. Der Begriff der Hochsensibilität geht auf die amerikanische Psychologin Elaine Aron zurück, die 1997 Ihre umfangreichen Forschungen zu dem Thema im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlichte. Sie und Ihr Team konnten wissenschaftlich nachweisen, daß bei einigen Menschen – den sogenannten „Highly Sensitive Persons“ (HSP) – Reize intensiver wahrgenommen und aktiver im Gehirn verarbeitet werden als bei anderen.  

Hochsensible sind hochsensibel, sie werden es nicht erst im Laufe ihres Lebens. Und gleichermaßen können sich auch nicht „abhärten“. Sie sind nicht besser und nicht schlechter als „Normal“sensible; sie sind einfach anders und müssen im Zweifel lernen damit bzw. mit sich (gut) umzugehen. Allem voran müssen sie lernen, ihre ganz eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und sich nicht mit jenen zu vergleichen, die weniger sensibel sind. Das Gute ist, sie haben die „Ausstattung“, die sie brauchen, um sich zu spüren. Konkret reagieren ca. 15-20% einer Gruppe deutlich früher auf Stimulation, sowohl bei Menschen als auch bei Tieren.

Was soll das?
Die Theorie, die sich schon seit Forschungen zu dem Thema durch Iwan Pawlow im letzten Jahrhundert hält, geht wie folgt: Eine Gruppe braucht zum Überleben wenige Mitglieder, die potentielle Gefahren früh wittern und viele Mitglieder, die robust genug sind, um die Gruppe zu verteidigen. Aus der Sicht der Evolution macht es also Sinn, wenige Hochsensible (20%) und viele „Normal“sensible Menschen (80%) zu haben.

Vereinfacht gesagt, stellen die Hochsensiblen also das Frühwarnsystem unserer Gesellschaft dar. Ich nenne sie die „Flimmerhärchen“. In vergangenen Gesellschaften hatten sie aus eben diesem Grund oft entsprechende Positionen – Priester, Medizinmänner/frauen, Heiler, Astrologen, Orakel, Magier, Künstler, Schriftsteller… Und auch heute noch findet man sie in „Rat-gebenden“ und kreativen Berufen.

 Und was hat das mit New Work zu tun?
Eine Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte ist, daß eben diese „Flimmerhärchen“ immer öfter in der Rolle der Rat-Suchenden zu finden sind, die erschöpft und ratlos aus dem System herausfallen. Und genau hier sehe ich eine Schnittstelle zum Thema New Work: es müssen neue Strukturen geschaffen werden, damit sich dieses vorhandene Potential entfalten kann. 

Ganz praktisch nehme ich an, daß sich im Kontext von New Work auch viele HSP engagieren. Motiviert durch die eigene, teils schmerzliche Erfahrung, zeigen sie der Gesellschaft auf, dass Gefahr im Verzug ist, wenn das bestehende System nicht transformiert wird.

Das ist toll und ehrenwert und sicherlich auch beglückend. Und dennoch gebe ich zu bedenken, daß Agilität und Flexibilität nicht mit „immer-zur-Verfügung-stehen“ verwechselt werden darf. Denn während die analoge Welt natürlichen Rhythmen (z.B. Tag/Nacht) unterliegt und klar verortet ist, ist die digitale Welt zeitlich und örtlich unbegrenzt, bzw. immer und überall „on“.  Dieser Umstand verleitet gerade die HSP dazu, zu denken, sie seien grenzenlos wo sie es nicht sind.

Ganz im Sinne der Achtsamkeit, die immer wieder in die „Erdung“ des gegenwärtigen Augenblick einlädt, gilt es auch in dieser wichtigen Aufgabe die eigenen Grenzen wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen, wahlweise sie zu ziehen und zu lernen, die Lust an der Stimulation aktiv zu begrenzen, um nicht in den Möglichkeiten der digitalen Grenzenlosigkeit zu erschöpfen.  

Im Vorwort des Buches von Eduard Schweingruber steht: „Es ist dem Büchlein gelungen, einer Reihe von solch sensiblen Menschen den Weg zu einer entspannteren und fruchtbareren Lebensweise zu zeigen.“. Wer sich also mit dem Thema „Hochsensibilität“ beschäftigen möchte und eventuell Wege für seinen Umgang damit sucht, kann das hier mit diesen Buchempfehlungen tun: 

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