»Good Job!«

  • 13.11.2019
  • von christiane kuerschner
Ein Interview mit Lucas Sauberschwarz über Reflexe und Reflexion ...
Jetzt spenden

Lucas Sauberschwarz hat mit seinen vier Partnern „Venture Idea“ gegründet. Entgegen der Regel, die besagt, dass erfolgreiche Beratungsunternehmen möglichst groß aufgestellt sein müssen, hat das Team den „Best of Consulting Award“ für „Innovation & Wachstum“ der WirtschaftsWoche gewonnen, indem es alles ganz anders macht. Dem New Work Hype stehen sie dabei eher skeptisch gegenüber. Ein Interview.

Liebe Lucas, du stößt immer wieder auf offene Ohren, wenn du sagst, dass – scheinbar entgegen aller Trends -, New Work die Situation in Unternehmen eher verschlimmbessern würde. Wie meinst du das?

Wenn wir das Thema in Unternehmen bearbeiten, oder ich mit Vorständen dazu sprechen, sehe ich immer wieder, dass es oft gut gedacht, aber schlecht gemacht wird. “Gut gedacht” in dem Sinne, dass versucht wird, nichts zu verpassen und auch “New Work” zu machen. “Schlecht gemacht” in der Hinsicht, dass oft unpassende, irrelevante oder teils sogar kontraproduktive Maßnahmen eingeführt werden. Dies liegt daran, dass es eben ein Hypethema ist, welches zu schnellen Reflexen verleitet, indem Beispiele von anderen Unternehmen oder Theorien aus Büchern schnell adaptiert werden. Das führt dann im schlimmsten Fall sogar zum “Reflextod”, also zu Negativeffekten der Maßnahmen. Sei es, weil sich z.B. durch unbegrenzten Urlaub niemand mehr traut, genügend Urlaub zu machen, dass im “Open Office” die menschlichen Beziehungen leiden, oder sich Mitarbeiter durch Vertrauensarbeitzeit vermehrt selbst ausbeuten. Richtiger wäre “Reflexion statt Reflex”: Genauer hinzuschauen, was Unternehmen und Mitarbeiter brauchen, und eigene, passende Lösungen dafür zu entwickeln, ganz unabhängig davon, ob diese sich nun unter das Buzzword “New Work” fassen lassen oder nicht. 

Was ist denn deine oder eure Definition von New Work?

Wir haben hierfür absichtlich keine Definition, denn unsere Kernbotschaft ist, dass jedes Unternehmen und schlussendlich auch jede/r Mitarbeiter/in ihre eigene Definition finden muss, wenn die Frage gestellt wird, wie man jetzt und in Zukunft arbeiten will (und muss). Wenn man dort angekommen ist, ist es dann ja auch kein New Work mehr, sondern einfach nur noch Work. 

Kannst du uns ein Beispiel geben, wo New Work Methoden mit großer Sicherheit gegen die Wand fahren?

Es sind nicht bestimmte Themen oder Maßnahmen, die richtig oder falsch sind, sondern die Herangehensweise. Wenn irgendwelche New Work Maßnahmen kopiert und reflexartig eingeführt werden, gehen sie mit ziemlicher Sicherheit schief. Egal, ob dies dann ein neuer Arbeitsplatz, neue Führungsmodelle oder ein ganz neues Organisationsdesign ist. Besonders gefährlich wird es, wenn die Mitarbeiter/innen und Führungskräfte darauf gar nicht vorbereitet sind – und dann z.B. plötzlich agil führen und arbeiten, sich selbst motivieren, oder ihre eigene Work-Life Balance finden sollen, ohne diese Fähigkeiten vorher erlernt zu haben (oder sie sogar abtrainiert wurden). 

Andererseits zeigt Venture Idea auch, dass zum Beispiel orts- und zeitunabhängiges Arbeiten super funktionieren kann. Du bist in Düsseldorf, Lysander Weiß sitzt in Paris, Marc Parat erledigt vieles vom Home-Office und Florian Lanzer arbeitet gern von Surfhotels aus. Klingt ganz angenehm und sehr streng nach New Work?

Nicht nur das, wir arbeiten auch sonst in vielerlei Hinsicht so, wie es heute als “New Work” bezeichnet wird: Wir zählen keine Urlaubstage, wir besprechen in Strategiewochen unsere persönlichen Ziele und Wünsche, wir diskutieren stets auf Augenhöhe, haben Zeit für persönliche Projekte und Familie etc. Aber nicht als Selbstzweck, sondern weil diese Arbeitsweisen uns aktuell unseren wirtschaftlichen und persönlichen Zielen am nächsten bringen und gut zu uns passen. Das heisst nicht, dass genau diese Dinge auch für jedes andere Team oder (Beratungs-)unternehmen richtig wären, denn diese haben andere Ziele und Voraussetzungen. Wir haben diese Arbeitsweisen für uns entwickelt, getestet und iteriert, anders kann es nicht funktionieren. Deswegen machen wir genau das auch in Projekten mit Unternehmen: statt mit fertigen Standardlösungen zu kommen, nur um “New Work” zu machen, entwickeln wir individuell, welche Maßnahmen die Ziele am besten erreichen können, egal, ob diese nun “New Work” heißen, oder nicht. 

Du bist selbst Vater von zwei Kindern. Das trägt sicher dazu bei, dass dir deine strikten Bürozeiten heilig sind. Ziemlich oldschool könnte man sagen, aber auch ein Zeichen dafür, dass Work-Life-Blending und ständige Erreichbarkeit nicht immer die beste Wahl sind. Würdest du sagen, dass es Organisationsformen oder Arbeitstechniken gibt, die früher – also vor der digitalen Zeit – besser funktionierten?

Sicherlich erlaubt uns die Technologie viele neue Arbeitsmöglichkeiten wie eben Remote Offices, Videokonferenzen, Kollaboration, etc. – diese sollten jedoch auch sinnvoll eingesetzt werden. Ich habe zum Beispiel durchaus lernen müssen, das Smartphone während Familienzeiten, Meetings und Co. bewusst auszuschalten, nicht ständig meine Emails zu checken usw. Gleichzeitig ist vieles was ich mache viel transparenter: Alle Dokumente sind in der Dropbox einsehbar, alle Kollegen sehen meinen geteilten Kalender, oder wann ich Nachrichten lese. All diese Dinge zusammengenommen können somit Arbeitsweisen und damit auch Organisationsformen ändern, es hängt jedoch immer von ihrem Einsatz ab. So kann ich Transparenz nutzen, um im Sinne von “Command & Control” Mitarbeiter besser zu überwachen und zu steuern. Ich kann es aber auch für bessere Kollaboration und höhere Effizienz nutzen. Dies wird jedoch nicht von der Technologie entschieden, sondern von uns allen – womit wir wieder dahin zurückkommen, dass ich all dies bewusst und reflektiert einsetzen muss. 

Alle diese und viele weitere Erkenntnisse habt ihr in einem Buch beschrieben, dass „Good Job!“ heisst. Diesen Begriff setzt ihr New Work entgegen, denn nicht immer muss althergebrachtes schlecht und Neues unbedingt besser sein. Ihr deckt die „Absurditäten der Arbeitswelt“ auf. Welche sind das?

Wir haben in der Reflexion unserer eigenen Arbeitsweisen, und dann auch in der Forschung zu unserem Buch festgestellt, dass es eben nicht nur eine neue, gute und eine alte, schlechte Arbeitsweise gibt, sondern wir uns immer auf einer Skala der Möglichkeiten bewegen. Ist ein flexibler oder ein fester Arbeitsplatz gut? Ist es besser, viel Geld zu verdienen oder an seinem Lieblingsthema zu arbeiten? Sollte ich Arbeit und Freizeit trennen oder lieber ineinander fließen lassen? Die Antworten auf solche Fragen sind nie eindeutig, sondern hängen immer von meinen Zielen, Fähigkeiten, Lebensumständen uvm. ab. In der Konsequenz sind Ausprägungen der Arbeitswelt immer dann absurd, wenn eine bestimmte Antwort als Musterlösung genommen wird. Dies können Dinge sein, die “man schon immer so gemacht hat” und deswegen nie mehr in Frage stellt, aber eben durchaus auch neue Maßnahmen, die reflexartig eingeführt werden. Von Arbeitszeit als Leistungsgröße, über extrinsische Motivation bis hin zu Dingen wie flachen Hierarchien, Großraumbüros und Work-Life-Blending lässt sich dies in allen Dimensionen unserer Arbeitswelt beobachten. Dies tun wir im Buch auch genüsslich und ergänzen diese Beobachtungen dann stets durch neue Impulse und Hintergrundwissen, um mehr Reflexion statt Reflex dafür zu ermöglichen.

“Reflexion statt Reflex” gilt bei euch ja nicht nur in der Theorie, sondern vor allem auch in der Praxis, z.B. wenn Unternehmen in ihren chaotischen New Work-Anfängen gescheitert sind. Wie führt ihr sie dort wieder hinaus, wo beginnt eure Arbeit? Und wie kann New Work denn gelingen; was braucht es dafür?

Egal, ob sich Unternehmen bereits an New Work-Maßnahmen versucht haben oder noch gar keine Veränderung durchlaufen haben: wir beginnen immer bei der Grundfrage, was mit “New Work” (oder Agilität, oder Transformation, …) eigentlich erreicht werden soll. Geht es tatsächlich rein um Mitarbeiterzufriedenheit? Oder um Produktivität? Um Zukunftsfähigkeit oder Wettbewerbsfähigkeit? Um Arbeitgeberattraktivität oder Innovationskraft? Diese Fragen sind wichtig, denn nur so können wir New Work von einem Hypethema zu einem strategischen Thema überführen, welches dann am Ende tatsächlich umgesetzt wird –  die Voraussetzung dafür, dass (New) Work gelingt. Natürlich arbeiten wir neben diesen strategischen Fragen auch immer an den Bedürfnissen der Mitarbeiter. Wir haben in unserem Buch die Formel “Good Job = Good Job” herausgehoben, die erklärt, dass wer einen “Good Job” hat, auch einen guten Job macht. So sind glückliche Mitarbeiter laut einer in der Harvard Business Review zitierten Meta-Analyse von über 200 Studien um 31% produktiver und dreimal so kreativ. Dementsprechend gilt es immer, zu erfahren, was einen Good Job für die einzelnen Mitarbeiter ausmacht, und diese Bedürfnisse zu befriedigen – aber eben in möglichst passender Art und Weise. Neben unserer Forschung, in der wir dies über alle Arbeitnehmer hinweg ermitteln, nutzen wir dazu z.B. unser Good Job! Audit, welches eine erste Einschätzung von Soll und Ist der individuellen Bedürfnisse ermittelt (kostenlos auf www.goodjob.jetzt/audit). Wenn wir die strategische Perspektive und Mitarbeiterperspektive dann zusammenbringen, setzt eben genau die Reflexion ein, mit der wir dann individuell passende Maßnahmen entwickeln, und gerne auch deren Umsetzung mit begleiten – um möglichst viele Good Jobs zu schaffen! 


Lucas Sauberschwarz ist Gründer und Geschäftsführer von Venture Idea. Mit seinen Mitgründern gewann er 2018 den „Best of Consulting Mittelstand Award“ der Wirtschaftswoche in der Kategorie „Innovation & Wachstum“. Zudem ist er Direktor für das „Center for Corporate Innovation“ und Co-Direktor für das „Center for New Work“ am Management Institut St. Gallen. Und außerdem ist er Teil der Community von Les Enfants Terribles.

Wie hat dir der Artikel gefallen?

Newsletter

  • Mit dem Abonnieren unseres Newsletters erkennst du unsere Datenschutzerklärung an.