»Sprecht alle miteinander!«

  • 22.05.2019
  • von Marion King
Ein Interview mit Katharina Krenz über die Working Out Loud Initiative und die Möglichkeiten der Vernetzung ...
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Katharina Krentz hat bei Bosch den “tollsten Job der Welt” – sie ist dort für die Methode “Working Out Loud” zuständig und hat damit schon über 4.500 Kollegen miteinander verbunden und ganz schön viel in Bewegung gebracht …

Hallo Katharina, wir haben dich gerade bei deinem Vortrag zu Working Out Loud (WOL) auf der re:publica19 erlebt. Das war fast schon wie ein Popstar-Auftritt. Der Raum war überfüllt, die Menschen total begeistert – von der Methode, aber ich glaube auch, von deinem Enthusiasmus. Warum glaubst du, gibt es diese Begeisterung dafür?

Das ist einfach zu erklären: die WOL Methode begeistert viele Teilnehmer, weil sie Spaß am Netzwerken und einer anderen Art von Zusammenarbeit und Kommunikation erfahrbar macht. Die Teilnehmer gehen für 12 Wochen mit einem kleinen Team (4-5 Personen) auf eine Lern- und Erlebnisreise.

Dabei verfolgen sie ein selbstgewähltes Ziel, bauen dazu ein Netzwerk an Gleichgesinnten auf mit dem sie aktiv arbeiten und erleben Selbstwirksamkeit, Wertschätzung und Anerkennung. Wer hat das nicht gerne? Eine Methode die funktioniert, die tolle Menschen zusammenbringt, die kostenlos allen online zur Verfügung steht und deren einziger Nachteil ist, dass nicht alle mitmachen. Also mich begeistert das – und viele andere auch, von denen einige auch bei meiner Session dabei waren, was die tolle Stimmung erklärt. 😉

Wie bist du zum Working Out Loud Konzept gekommen und was begeistert dich daran?

Zunächst durch Internetrecherchen auf der Suche nach “Enablingkonzepten” für interne Community Manager 2012. Und dann 2015 durch eigenes Erleben der Methode nach einem Austausch mit John Stepper. In Woche drei des Programms wurde mir klar, dass wir dieses Programm unbedingt bei Bosch benötigen. Warum? Weil professionelles Netzwerken und virtuelle Zusammenarbeit und Kommunikation erlernbar sind – egal ob introvertiert oder extrovertiert, unabhängig von Alter, Background, Vorwissen und digitalen Fähigkeiten. Es sind nur Neugierde, Offenheit und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren und sich auf diese Lernreise einzulassen, notwendig. Mich begeistert, dass das Programm selbstorganisiert und eigenverantwortlich von jedem durchgeführt werden kann, dass es skalierbar ist und wir es als freiwilliges Angebot einfach anbieten können. Und das, was die Teilnehmer erleben, ist so vielfältig (abhängig von gewähltem Ziel, den Teilnehmern, der Offenheit, den Experten im Netzwerk, der Kultur uvm.), dass es immer noch Erfahrungsberichte gibt, die mich überraschen und begeistern. Zudem darf ich mich seit 2017 in Vollzeit um das Thema kümmern, sowohl Bosch-intern als auch extern bei anderen Interessenten. Knapp 600 Circles haben wir an den Start gebracht, knapp 4.500 Kolleginnen und Kollegen in 50 Ländern sind Teil der internen Community. Gerade haben wir das Programm für Mitarbeiter in der Fertigung adaptiert und diskutieren neue Leitfäden mit John Stepper. Für mich aktuell der tollste Job der Welt – nicht immer ganz einfach, dafür aber sehr bereichernd und erfüllend.

Du bist bei Bosch als Senior Consultant New Work & Digital Collaboration tätig, wo du für die Working Out Loud Initiative und zuvor für das Corporate Community Management verantwortlich bist. Internationale Konzernarbeit oder New Work – was ist dein Hintergrund für ein solches spannendes Tätigkeitsfeld?

Ich habe mich schon zu Beginn von Social Media für diese Themen interessiert und mich extern viel im Netz und auf diversen Kanälen bewegt. Ich bin 1979 geboren, also ohne Internet und Smartphone aufgewachsen. Und auch wenn es viele nicht glauben, ich war bzw. bin eher der introvertierte Typ, der sich schwer tut, offen auf andere Menschen zuzugehen und wie selbstverständlich in Netzwerken zu interagieren. Daher denke ich, bin ich gut geeignet, um genau diese Brücke zwischen “alten” und neuen Arbeitsweisen zu bauen und andere zu begleiten, ihre Arbeitsweise weiterzuentwickeln.

Bosch nimmt diese Themen sehr ernst, da wir wissen, dass die digitale Transformation in erster Linie einen kulturellen Wandel bedeutet. Und aktive Expertennetzwerke, die sich gegenseitig unterstützen, Wissen und Ideen teilen und gemeinsam vorantreiben sind ein wichtiger Baustein zur weiteren Stärkung unserer Innovationskraft. Die Welt wird gefühlt schneller und komplexer, eine gute Vernetzung ist hier für uns die Basis, um damit umzugehen und den Wandel erfolgreich zu gestalten.

Mich freut, dass ich mich mit meinen Talenten, meiner Erfahrung und meinem Wissen in diese Themen einbringen und einen Beitrag leisten kann, um anderen das Leben leichter zu machen und unsere Arbeitswelt noch positiver zu gestalten. Spaß, Sinn, Selbstwirksamkeit und Partizipation bei der Arbeit – darum geht es doch bei New Work – und das geht hervorragend bei Bosch.

Wie geht dieses Working Out Loud genau?

Die Working Out Loud Circle Methode funktioniert wie folgt:

5 möglichst unterschiedliche Menschen, die sich nicht kennen, treffen sich über 12 Wochen hinweg für je eine Stunde in der Woche. Für die 12 Wochen nimmt sich jeder ein persönliches Lernziel vor, dass er mit Hilfe eines eigens dafür aufgebauten Expertennetzwerks bearbeitet. Dafür gibt es eine Gebrauchsanleitung, die sogenannten WOL Circle Guides. Diese enthalten die Agenda für das Meeting und Übungsaufgaben, die von den TN im Meeting erledigt werden. Das war’s schon.

Verständlicher wird es, wenn man sich das ganze als Lern- und Erlebnisreise vorstellt, bei der ein Schutz- und Experimentierraum entsteht, in dem ich eine andere Art zu netzwerken, zu arbeiten und zu kommunizieren ausprobieren kann. Dabei erfahre ich viel über Beziehungen, über mich selbst, über Netzwerkmechanismen und erlebe eine sehr persönliche Art, meine Arbeit und mein Wissen sichtbar zu machen, mit anderen zu teilen und aktiv zusammenzuarbeiten.

Der WOL Circle, also die Kleingruppe, unterstützt sich gegenseitig mit Feedback und wertvollen Hinweisen und lernt so von und miteinander. Das ist eine andere Art zu lernen als viele von uns kennen: eigenverantwortlich, selbstorganisiert und mit einem eigens gewählten Thema, an dem ich das, was ich lernen möchte, ausprobiere und umsetze. Alle Infos und die Circle Guides, die mittlerweile in acht Sprachen zur Verfügung stehen, gibt es im übrigen auf John Stepper’s Homepage: www.workingoutloud.com Sie sind frei verfügbar, d.h. jeder kann sie nutzen und damit WOL selbst ausprobieren. Bei Facebook, LinkedIn, Xing & Co. gibt es zudem WOL-Gruppen, in denen sich Circles finden, alternativ auch unter https://beta.circlefinder.app/  

Was ist die Working Out Loud Community of Practice und wie ist sie organisiert?

Die WOL Community of Practice ist eine Gemeinschaft von WOL-Enthusiasten, die WOL im eigenen Unternehmen vorantreiben. Wir haben uns 2017 zusammengefunden, damit nicht jeder das Rad selbst erfinden muss, d.h. um Konzepte und Anwendungsfälle zu teilen, uns gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam WOL voranzubringen. Für unsere Arbeit haben wir Ende 2017 den HR Excellence Award gewonnen, eine schöne Anerkennung für die unternehmensübergreifende Initiative. Teilnehmer sind: Audi, BMW, Bosch, Continental, Daimler, Deutsche Bank, Deutsche Post/DHL, Siemens, Telekom und ZF.

Heute treffen wir uns nur noch bei Bedarf und sind in den diversen WOL Communities auf LinkedIn, Xing, WeChat, Facebook und auch auf Twitter aktiv, um den WOLlern weltweit zu helfen und unser Wissen zu teilen. Und einige von uns werden wie die letzten beiden Jahre auch am 20.11. in Berlin ein WOL Camp (#WOLC19) organisieren, um die WOLler in Deutschland und Umgebung zusammenzubringen und einen persönlichen Austausch zu ermöglichen.

Welche Ziele verfolgen die involvierten Unternehmen mit dieser Zusammenarbeit und welchen Benefit haben die Mitarbeiter davon?

Ich erlebe, dass wir alle vor ähnlichen Herausforderungen stehen: unsere Unternehmen wollen agiler, vernetzter, innovativer, autonomer und kreativer werden, um im digitalen Zeitalter und darüber hinaus erfolgreich zu sein. Hinzu kommen die äußeren Einflüsse von neuen Technologien, Globalisierung, demografischer Wandel, Urbanisierung, uvm. Wie also können wir alle von diesen Einflüssen profitieren, sie als Chance sehen und den Wandel aktiv gestalten?

Wir wissen, dass wir dem nur mit Vernetzung, Offenheit und Partizipation begegnen können, aber auch das will gelernt sein. Daher sind wir alle auf der Suche nach passenden Technologien, Methoden und Enablern, die gleichzeitig Toolset, Skillset und Mindset bedienen, denn nur so ist Wandel möglich. WOL ist für uns alle nur ein Vehikel, also Mittel zum Zweck, um die übergeordneten Ziele und Strategien zu erreichen und umzusetzen – WOL ist kein Selbstzweck.

Denkt WOL die Idee des Netzwerkens und Wissensaustausches, die in der Kreativszene unter Freien ja seit jeher Gang und Gebe ist, für Unternehmen weiter?

WOL selbst nicht, nein. WOL ist ja eine Haltung und eine Fähigkeit, dazu gehört die WOL Circle Methode, um beides zu erleben und zu erlernen. Aber die WOL Enthusiasten und natürlich John Stepper selbst denken oftmals weiter und sehen WOL als möglichen Enabler für eine bessere Gesellschaft und für eine bessere Internetgesellschaft, für aktive Teilhabe an Wissen und Bildung.

Mich würde es glücklich machen, wenn sich WOL weiter verbreitet und uns alle einander näher bringt – und zwar basierend auf den WOL Elementen und Prinzipien von Beziehungen, sichtbarer Arbeit und Wissen, Großzügigkeit, Growth Mindset und zielgerichtetem Entdecken von Neuem (Serendipity), einem offenen Umgang miteinander in der Welt.

Leute, die WOL praktiziert und verinnerlicht haben, gehen definitiv besser miteinander um und aufeinander zu, sind hilfsbereit, großzügig und empathisch. Das habt Ihr doch auf der re:publica erlebt, richtig?

Oh ja, das haben wir bei Deiner re:publica-Session absolut erlebt! 🙂 Aber wie können auch Leute, die nicht in Unternehmen wie Bosch oder Daimler arbeiten, an dem WOL Programm teilnehmen?

WOL war gar nicht für Großunternehmen vorgesehen, sondern richtet sich bis heute an Privatpersonen, die sich virtuell über Social Media vernetzen. Ich war damals die erste, die WOL im Unternehmen eingesetzt hat, weil ich das Potenzial als Enabler für viele unserer Fragestellungen erkannt habe. Und dem Beispiel sind dann später auch andere Unternehmen gefolgt.

Auf John Stepper’s Homepage unter www.workingoutloud.com gibt es alle benötigten Infos für den Start und die WOL Circle Guides, also die Anleitungen für die Circle Treffen. Mittlerweile gibt es sie in acht Sprachen. Um an einem Circle teilzunehmen, empfehle ich in Deutschland gerne die Circle Finder App. Hier finden sich Circles zusammen, sowohl für Offline-Treffen in bestimmten Städten als auch für rein virtuelle Circles. In vielen Städten gibt es mittlerweile auch WOL MeetUps, die über die MeetUp Plattform verbreitet werden.

Und dann gibts natürlich die WOL Communities auf Facebook, LinkedIn, Xing, Yammer und unter dem Hashtag #WOL auf Twitter. Hier lohnt es sich aktiv Fragen zu stellen und sich Unterstützung in der Community zu holen für die eigenen Fragestellungen. Und ich kann natürlich jedem empfehlen, den Kontakt zu John Stepper direkt zu suchen. Er antwortet schnell, persönlich, sehr herzlich und wertschätzend, ein echtes Role Model für das Thema WOL. Es macht großen Spaß, sich mit ihm und den vielen WOL-Enthusiasten weltweit auszutauschen.

Danke Euch für die spannenden Fragen, das hat Spaß gemacht, sie zu beantworten!

Happy WOLing!


Katharina Krentz ist seit 2005 bei der Bosch Gruppe beschäftigt. Seit 2012 konzentriert sie sich auf das Thema New Work mit Fokus auf Methoden zur virtuellen Zusammenarbeit, der Mitarbeitervernetzung und dem kulturellen Wandel. Aktuell arbeitet sie als Beraterin für digitale Zusammenarbeit und leitet die Working Out Loud Initiative. Zudem ist sie als Community Managerin und Reverse Mentorin aktiv und unterstützt die Bosch Gruppe weltweit in der Digitalen Transformation. Auch extern ist sie als Beraterin, Speakerin, Begleiterin und als zertifizierter WOL Coach gefragt. Zu finden ist sie auf allen gängigen Social Media Kanälen, bevorzugt auf LinkedIn und Twitter.

Und wer noch mehr über Working Out Loud lesen will, der kann das unter diesem Link hier tun.

Ausserdem gibt es hier auch noch einen t3n-Podcast mit Katharina zu WOL.

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