»New Work Economy: Wir sind nicht (nur) zum Spaß hier«

  • 22.05.2019
  • von Gastautor*in
Warum New Work mehr ist als Kickertische und Obstkörbe – sagt uns Anna Kaiser von Tandemploy ...
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“New Economy” – das sind doch die hippen Typen mit den Obstkörben und dem Kickertisch im Büro. Die, die arbeiten was, wo und wann sie wollen, die zur Kaffeezeit schon das erste Bier im Office trinken und ihre Freizeit am liebsten mit ihren Kolleg*innen verbringen.

Soweit das Klischee, das in Verbindung mit digitalen Start-ups immer wieder strapaziert wird. Und das zu gern auch mit New Work gelabelt wird, nach dem Motto: New Work ist, wenn alle Spaß bei der Arbeit haben.

Doch wie viel New Work steckt tatsächlich in der so genannten “New Economy”? Gehört das eine automatisch mit dem anderen zusammen?

Um sich einer Antwort anzunähern, macht es Sinn, sich den Kern von New Work in Erinnerung zu rufen. Dieser lässt sich auf zwei simple Worte runterbrechen: People matter.

New Work steht für eine konsequente Ausrichtung am Menschen und seinen Bedürfnissen. In Bezug auf die Arbeitsstrukturen ergeben sich daraus drei Kriterien, die ein New-Work-Unternehmen ausmachen:

  • Größtmögliche Freiheit der Mitarbeiter*innen
  • Aktive Verbindungen zwischen den Mitarbeiter*innen
  • Größtmögliche Teilhabe der Mitarbeiterinnen

Spätestens jetzt wird klar: Das Konzept von New Work geht weit über den „Spaß an der Arbeit“ hinaus. Ein Kickertisch macht nicht frei, ein Obstkorb ermöglicht keine Teilhabe. New Work geht tiefer. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Strukturen zu schaffen, innerhalb derer sich die Kraft von New Work in Führung und Organisation entfalten kann – und zwar nicht ihrer selbst wegen, sondern im Hinblick auf das Unternehmensziel und das Gestaltungspotential der Menschen in der Organisation.

Vor diesem Hintergrund bedeutet Freiheit nicht, dass jede*r macht, was er oder sie will. Freiheit der Mitarbeiter*innen im Unternehmen entsteht durch Handlungsspielräume in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen. Innerhalb dieser können sie selbstwirksam agieren. New Work heißt hier auch: New Leadership, also die Verteilung von Entscheidungsmacht auf verschiedene Köpfe und Schultern, und das in wechselnden Konstellationen, je nach Aufgabe.

Aktive Verbindungen zwischen Menschen im Unternehmen entstehen, wenn wir Abteilungsdenken und Silos auflösen und Räume schaffen, in denen Mitarbeiter*innen quer über alle Aufgabenbereiche hinweg miteinander reden. Die Kombination aus vielfältigen Erfahrungen, Empfindungen und Beobachtungen kombiniert mit Fachwissen schafft die Basis, um Antworten auf die komplexen Fragen unserer Zeit zu finden. Ein Match am Kickertisch ist dann quasi das Sahnehäubchen, um die Verbundenheit zu stärken.

Teilhabe entsteht durch die gemeinsame Arbeit an einem Ziel, auf das sich alle geeinigt haben. Mitgestalten kann übrigens jeder – ob Mitarbeiter*in im Marketing oder in der Produktion, ob White Collar oder Blue Collar. Unternehmen müssen dafür die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Neben der technischen Infrastruktur, die es allen ermöglicht, niedrigschwellig Informationen zu teilen und mit Kolleg*innen aus anderen Arbeitsbereichen zu kommunizieren, ist dafür vor allem ein entsprechendes Mindset nötig: ein ehrliches Interesse an den Menschen in der Organisation, Offenheit für ihre Ideen sowie die Grundüberzeugung, dass jede*r einen wichtigen Beitrag leisten kann und möchte.

Wir erinnern uns: People matter!

Was also macht eine New Work Economy aus?

  • Sie verbindet individuelle Freiheit mit unternehmerischen Zielen.
  • Sie verbindet das “Warum“ des Unternehmens mit dem “Warum“ des Einzelnen: Warum tun wir als Unternehmen, was wir tun? Warum bist du hier?
  • Sie verbindet das “Wie“ des Unternehmens mit dem “Wie“ des Einzelnen: Wie wollen wir als Unternehmen unser Ziel erreichen? Wie kannst und möchtest du dich dabei einbringen?

Unternehmen einer New Work Economy schaffen ein Umfeld, in dem Menschen produktiv sind, sich autonom entfalten können und gleichzeitig in ein Netzwerk mit anderen Menschen eingebunden sind.

Statt „Fun Fun Fun“ zu proklamieren, ist es für Unternehmen sinnvoll sich zu fragen:

  • Sind Mitarbeiter*innen an wichtigen Unternehmensentscheidungen beteiligt?
  • Finden alle Mitarbeiter*innen die Informationen und Unterstützung, die sie brauchen, um Aufgaben verantwortungsvoll zu lösen?
  • Haben wirklich alle Mitarbeiter*innen die Chance, gehört zu werden?

Ist dafür ein digitales Geschäftsmodell nötig? Mit Sicherheit nicht. Ein “New-Ecomomy”-Unternehmen macht noch kein New-Work-Unternehmen. Digitalisierung ist nicht nur ein technologischer, sondern auch und vor allem ein kultureller Prozess. Und der ist auch für junge Unternehmen der Digitalwirtschaft kein Selbstläufer, selbst wenn sie in Bezug auf flexible Arbeitsstrukturen oft schon einen Schritt weiter sind als Unternehmen der so genannten “Old Economy”. Kontinuierliche Kulturarbeit, die das “Warum“ der Organisation und der Mitarbeiter*innen zum Ausgangspunkt macht und daraus Strukturen ableitet, in denen sich jede*r optimal einbringen kann, ist Voraussetzung für alle Unternehmen, die in einer komplexer werdenden Welt die Fühler und Köpfe an der richtigen Stelle haben wollen.

An diesem Punkt funktioniert dann auch die Unterscheidung zwischen “New” und “Old” Economy nicht mehr. Es gibt nur eine Economy – und die steht vor der Aufgabe, Wege zu finden, kollaborativ und – Achtung, Buzzword! – agil zu handeln, egal ob klein und “techy” oder großer Konzern.

Fazit: Ein Kickertisch ist eine gute Antwort. Aber leider auf die falsche Frage. In der New Work Economy geht es nicht darum, wir wir alle möglichst viel Spaß während der Arbeit haben. Es geht um das kollaborative Wirken auf ein gemeinsames Ziel hin, um Selbstwirksamkeit und Mitgestaltung, unabhängig von Produkt und Geschäftsmodell. Auch Konzerne mit analoger Produktpalette haben alles, was nötig ist, um den Übergang in die New Work Economy zu gestalten: Kluge Menschen, die etwas beitragen können und in den meisten Fällen auch möchten, wenn man ihnen mit Offenheit und Vertrauen begegnet. Ist der Wille zur Veränderung da, können sie sich für Tools und Modelle, die vernetztes und flexibles Arbeiten möglich machen, bei den „jungen Wilden“ inspirieren lassen.

 


Diesen Beitrag schrieb Anna Kaiser. Sie ist Gründerin & Geschäftsführerin von Tandemploy, einer jungen Firma, die seit 2014 die Arbeitswelt auf den Kopf stellt. Das mittlerweile über 20-fach ausgezeichnete Berliner Unternehmen ( u.a. LinkedIN Top Voice, ‘25 Frauen’, die unsere Wirtschaft revolutionieren, Chefsache-Award 2017, IT- Women of the year 2018) entwickelt Software, die Mittelständler wie Konzerne beim gelungenen Wissenstransfer sowie der Flexibilisierung ihrer Strukturen und Arbeitsmodelle unterstützt – und sie damit fit macht für die digitale Transformation. Anna diskutiert ihr Anliegen einer vernetzten, innovativen und zukunftsgewandten Arbeitswelt auf höchster politischer und gewerkschaftlicher Ebene und ist auch im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft” des Bundeswirtschaftsministeriums.

Den Beitrag findest du neben vielen weiteren inspirierenden Texten hier auf dem Tandemploy-Blog.

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