»Lernt gutes neues Arbeiten!«

  • 27.03.2019
  • von Marion King
Eine Recherche über die Kompetenzen, die es für gutes neues Arbeiten in der Zukunft brauchen wird, über kritisches Denken, Kreativität und ein anderes Mindset ...
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Wir leben in einer VUCA-Zeit – volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig, geprägt von der Digitalisierung unserer Welt. Das Arbeiten ist dadurch nicht einfacher geworden. Wir schaffen wir also ein gutes und zukunftssicheres Miteinander und was braucht das für Kompetenzen – gerade mit Blick auf einen wahrscheinlich nächsten technologischen Sprung?

Das World Economic Forum schreibt in seinem 2018 veröffentlichten Bericht „Future of Jobs“, dass sich die Kompetenzen bei 54% der Beschäftigten bis zum Jahr 2022 verändert bzw. erweitert haben müssen, damit die Unternehmen zukunftsfähig am Markt weiter bestehen zu können. Man nennt das „Reskilling“ oder „Upskilling“. Das ist ein ganz schön hoher Prozentsatz. Und obwohl die wenigsten Kultureinrichtungen hierzulande Unternehmen sind, gilt das sicherlich auch für sie.

Mit Jobs wie dem eines Data Scientists, Service Designers oder Cloud Engineers wird es künftig einen größeren Unterschied zwischen Jobs geben, die Menschen machen, und denen, die Maschinen, Roboter und Algorithmen machen. Hört sich nach Science-Fiction an? Hat nichts mit Ihrem Arbeitsleben zu tun? Warten Sie’s ab. 2022 ist nicht mehr weit entfernt. Jetzt könnte man natürlich sagen, wir haben ja noch 4 Jahre bis dahin. Nur: Wir haben unser aktuelles Arbeiten, sprich die Veränderungen unserer Arbeitswelt, die in den letzten Jahren durch technologische, aber auch soziologische Entwicklungen entstanden sind, noch gar nicht verdaut – geschweige denn gut hingekriegt.

Spätestens seit Ende der 1990er ist unser ruhiges Arbeitsleben vorbei. Wir leben in einer Welt, die Arbeiten, Zusammenarbeiten und das Führen von Organisationen und Mitarbeiter*innen vor ganz neue Herausforderungen stellt, in der sich Technologien exponentiell entwickeln. Und gleichzeitig müssen wir uns auf eine Zukunft einstellen mit künstlicher Intelligenz (KI), Automatisierung, intelligenten Maschinen, vernetzten Robotern undsoweiterundsofort. Da klingen Prophezeiungen wie „In the future of work it’s jobs, not people, that will become redundant” doch wirklich beruhigend.

 

Wie arbeitet man in einer VUCA-Welt?

Wie bereiten wir uns also auf eine noch weiter technologisierte und noch stärker veränderte Arbeitswelt gut vor? Wir brauchen dafür auf jeden Fall einen anderen Typ von (Kultur)Organisationen und von einem zukunftsfähigen Miteinander. Gemeint sind damit nicht (nur) ökonomischer oder künstlerischer Erfolg und Innovationskraft, sondern Organisationen, in denen Menschen gerne arbeiten, sich entfalten und entwickeln können.

Davon sind wir im Moment ziemlich weit entfernt wie die neuesten Zahlen der jährlichen Gallup-Studie wieder zeigen: 14% der Mitarbeiter*innen haben innerlich gekündigt, circa dreiviertel macht Dienst nach Vorschrift. Der DGB-Index „Gute Arbeit“ sagt, dass 41% der Befragten arbeitsbedingt häufig oder oft zu erschöpft sind, um sich neben der Arbeit um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Und 46% sagen, dass ihre Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung eher größer geworden ist.

Wir müssen deshalb in erster Linie mit unseren Organisationsstrukturen die Anforderungen an gutes Arbeiten abbilden. Wir müssen weg von der Pyramide hin zu einer netzwerkartigen Struktur, die horizontal verläuft und uns flexibel auf die Schnelligkeit und Komplexität reagieren lässt.

Aus: Niels Pfläging „Organisation für Komplexität“ /  Illustration: www.pia-steinmann.de

Im Detail heißt das:

  • Die Wertschöpfungverantwortlichen müssen an den „Rand“ der Organisation, an die „Außen- oder Nahtstellen“ zu den Nutzer*innen und Besucher*innen.
  • Das Thema „Nutzerzentriertheit“ bezieht sich auch auf die Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen.
  • Ein wichtiger Aspekt des Netzwerks sind die Verbindungen, d.h. das Arbeiten ist gemeinschaftlicher, in geteilter Verantwortung und selbstorganisierter.
  • Es gibt keine starren Positionen mehr, sondern man arbeitet in Rollen, die immer wieder wechseln können. Es geht um die einzelnen Individuen, um deren Potentiale und Wünsche.
  • Insgesamt braucht ein solches Arbeiten agilere und kreativere Methoden und Tools.
  • Führung erhält in diesem System eine nutzerzentrierte Bedeutung und ist nicht mehr qua Position und Titel definiert, sondern jede*r kann „in Führung gehen“.
  • Damit brauchen z.B. auch Zieldefinitionen und Leistungsmessung eine neue Definition. Alles Arbeiten zahlt auf die gemeinschaftliche (Weiter-) Entwicklung der Organisation ein.

Das alles bedeutet aber nicht, dass sich alle Organisationen und das komplett wandeln müssen. Wenn wir nur einen Bruchteil dieser Ideen umsetzen, wird sich schon viel in Bewegung setzen und verändern.

  

Was braucht das für Kompetenzen?

Wir werden nicht umhinkommen, diese neue Form des Zusammenarbeitens zu lernen und miteinander zu üben. Das wird entsprechende Kompetenzen brauchen und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Sie erst ermöglichen die „Nutzbarkeit“ unseres fachlichen Wissens.

Die Organisation P21 (Partnership for 21st Century Learning) hat ein sehr gutes Framework entwickelt, in dem beschrieben wird, welche Kompetenzen Menschen im 21. Jahrhundert für ein gutes Zusammenleben und -arbeiten brauchen werden.

Auf der reinen Wissens-Seite werden wir an vielen Stellen neues Knowhow mit Blick auf die technologischen Entwicklungen brauchen. Es werden auch im Kulturbereich neue Jobs entstehen und bestehende Jobs werden sich verändern, sich erweitern. Die Automatisierung wird dabei einen wesentlichen Anteil haben. Ein Aspekt sind also Informations-, Medien und Technologie-Kompetenzen. Nicht jede*r wird Programmieren sein müssen, aber wir brauchen auf jeden Fall eine „Digital-Kompetenz“.

Ein weiterer Aspekt sind Lebens- und Karriere-Kompetenzen wie Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, Initiative und Selbststeuerung, soziale und cross-kulturelle Kompetenz, Produktivität und Verantwortlichkeit, Führung und Verantwortung.

Und dann gibt es zentrale Aspekt der Lern- und Innovations-Kompetenzen. Das sind die 4 C’s:

  • Creativity (Kreativität)
  • Critical Thinking (kritisches Denken)
  • Communication (Kommunikation)
  • Collaboration (Zusammenarbeit)

Der „Goinger Kreis“ (eine Organisation zur Zukunft von Personal und Beschäftigung) hat zusammen mit dem Projekt „Schule im Aufbruch“ 2015 eine Studie zu den relevanten Kompetenzen der Arbeitswelt entwickelt. Dort wurden folgende Felder definiert:

  • Zusammen arbeiten / teamfähig sein
  • Einfühlungsvermögen zeigen
  • Sich an Zielen und Ergebnissen orientieren
  • Vertrauen aufbauen und glaubwürdig sein
  • Lernen wollen und Disziplin zeigen
  • Kommunizieren und überzeugen
  • Entscheidungen treffen
  • Initiative ergreifen und querdenken
  • Verantwortung übernehmen und mutig sein
  • Zeit managen
  • Aus Misserfolgen lernen
  • Offen und tolerant sein
  • Mit Konflikten umgehen

Es geht also um ein (größeres) Verständnis des eigenen Tuns und dessen Auswirkungen. Es geht darum, Verantwortung für das eigene Leben und Arbeiten zu übernehmen, ,zu verändern und zu gestalten.

Aus: Niels Pfläging „Organisation für Komplexität“ / Illustration: www.pia-steinmann.de


Und wie geht das konkret?

Wissen im engeren Sinne lässt sich durch Lehrprozesse vermitteln. Erfahrungen, Werte, Kompetenzen lassen sich aber nur durch emotions- und motivationsaktivierende Lernprozesse aneignen. Lernen gelingt dann, wenn wir Erfahrungen machen, wenn es mit einer Aktivität, mit einem eigenen Tun und v.a. in Anbindung an den eigenen Arbeitsalltag geschieht. Es braucht außerdem einfach Übung und Zeit.

Es geht darum, sein Selbstbewusstsein und seine Selbstwirksamkeit zu stärken, die eigenen Fähigkeiten, Potenziale und Kreativität zu entdecken und zu entwickeln. Am besten interaktiv und kollaborativ. Das bedeutet, dass wir gerade in großen Organisationen eine andere Herangehensweise an Personalentwicklung und Lernen brauchen. Das betrifft die Methodik, die Möglichkeiten, die Budgets – und auch hier wieder: die Haltung. Ein Training ist kein „Goodie“, sondern eine ernst gemeinte Angelegenheit. Die entsprechenden Rahmenbedingungen muss nicht zwingend die HR-Abteilung oder die Führungskraft verordnen, sondern die Menschen selbst sollen einen aktiven Teil daran haben und sich engagieren. Dafür muss die Organisation einen sicheren Raum schaffen – für Ausprobieren und Experimente, für Fragen und für Austausch, für Fehler zulassen und Veränderung.

Das geht am besten durch selbstbestimmtes Lernen, bei dem man selbst zum Forscher wird. Zudem ist es gut, Offline- und Online-Möglichkeiten fürs Lernen zu haben und Lernen projektbasiert zu gestalten. Peer Learning (gemeinschaftlich oder im Team) oder Peer Teaching (bei dem Mitarbeiter*innen einander etwas beibringen) sind eine Möglichkeit, um „Communities of Practice“ aufzubauen und „Botschafter“ für Themen zu etablieren. Und es ist gut, eine/n Mentor*in zu haben. Er/sie muss nicht unbedingt „seniorer“ sein, sondern auch Junior*innen können erfahreneren Mitarbeiter*innen etwas beibringen (gerade in Digital-Themen).

Das geht auch gut in Großgruppenformaten wie Barcamps oder World Cafés. Man kann dafür workshop-artig kreative Methoden nutzen. Es muss dafür auch physische Räume geben;  Orte zum gemeinsamene Arbeiten, zum Lesen und zum in Ruhe Reflektieren; vielleicht so etwas wie die gute alte Bibliothek.

Photo by Toa Heftiba on Unsplash

Dann braucht es virtuelle Räume, Plattformen wie Wikis und Chats, die man zwischendurch, zum Nachlesen oder zum Austausch nutzen kann, auch über die Grenzen von Abteilungen oder Standorte hinweg.

Und dann ist wichtig, von seinen Erfahrungen und Veränderungen zu berichten – über die Team- oder Abteilungsgrenzen hinaus. Es geht darum, sich Geschichten zu erzählen von seiner „Reise“, den Erfahrungen und Learnings. Es braucht Formate für die Reflexion und Evaluation von Gelerntem und von neuer Zusammenarbeit. Und es ist wichtig, immer wieder die Inhalte, Methoden und das Vorgehen selbst zu reflektieren, zu iterieren, weiter zu entwickeln. Lernen vom Lernen.

Change ist immer

Um Kompetenzen weiter zu entwickeln, zu variieren und zu kombinieren, ist die Fähigkeit zum kontinuierlichen Lernen bedeutsam. Das heißt, wir werden nicht mehr ein Mal im Leben oder pro Jahr zu einer Aus- oder Fortbildung fahren oder in einem „Fach“ ein/e Meister*in werden. Change ist jetzt nämlich immer. Darauf müssen wir uns einstellen. Lernen ist agil. Damit muss das gesamte Unternehmen selbst zu einer lernenden Organisation werden. Die Lern- und Anpassungsfähigkeit an Neues werden zu entscheidenden Voraussetzungen für die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen – auch im Kulturbereich.

Wie heißt es so schön im „Future of Jobs Report“ des World Economic Forums: „Workforce transformations are no longer an aspect of the distant future.“ Also. Lernt gutes neues Arbeiten!

Dieser Artikel ist ursprünglich erschienen in: Themenreihe „Zukunft der Arbeit“ auf kulturmanagement.net / Januar 2019.

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