»Future Tech«

  • 19.02.2020
  • von christiane kuerschner
Ein Interview mit Andrea Bauer über Zukunftstechnologien und die anstehenden Herausforderungen ...
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Wie verändert sich unsere Wirtschaft und unser Arbeiten im Hinblick auf die schnellen technologischen Entwicklungen? Darüber sprachen wir mit der Innovationsberaterin, Strategin und Autorin Andrea Bauer, die u.a. gerade in Modul 1 unserer neuen Ausbildungsrunde bei Les Enfants Terribles eine Session zu „Future Tech“ für die Teilnehmer*innen gemacht hat.

Liebe Andrea, du bist viel in der Welt unterwegs, um Unternehmen und Institutionen zu strategischen Zukunftstechnologien zu beraten. Was treibt dich an?

Für mich besitzt jede Art von fortschrittlicher Technologie einen Hauch von Magie. Denn es ist magisch, wie die Menschheit über die Jahrhunderte dank unterschiedlicher Technologien die menschliche Realität fundamental verändern konnte. Anhand unserer Imaginationskraft können wir uns mögliche Zukünfte ausdenken. Doch welchen Sinn hätte es über die Zukunft nachzudenken, wenn wir sie nicht in irgendeiner Weise beeinflussen könnten? Welcher Mehrwert läge darin, Dinge zu prophezeien, die wir nicht in die Tat umsetzen können?

Deswegen nutze ich mein ökonomisch-technisches ­Wissen dazu, Fragen über die Zukunft zu stellen und mögliche Szenarien mit Unternehmen und Institutionen zu entwickeln. Dabei reizt es mich, die Grenzen des Möglichen zu entdecken, indem man sich ein Stück weit an ihnen vorbei ins Unmögliche wagt.

In den vergangenen 20 Jahren haben viele Unternehmen versäumt sich auf das Thema “Digitalisierung” bzw. “Technisierung“ einzulassen. Mit welchen Herausforderungen müssen Unternehmen heute umgehen? Was müssen sie tun, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Einer der bemerkenswertesten Beobachtungen der vergangenen Jahre ist sicher die hohe Anzahl an neu auftretenden technologischen Konzepten, die in einer enorm kurzen Zeitspanne entstanden. Wir sehen ein bemerkenswertes Ausmaß an Aktivitäten zur Entwicklung von Anwendungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI), Blockchain, Virtueller Realität, Biotechnologie, Internet der Dinge (IoT) und vielen mehr. Diese Technologien werden gerne unter dem Sammelbegriff “Exponentielle Technologien“ zusammengefasst, da vorhergesagt wird, dass mit ihrer Anwendung drastische Veränderungen in der Art, wie wir Daten verarbeiten, Programme entwickeln oder Systeme steuern, in einer hohen Geschwindigkeit zur Realität vieler werden kann.

Doch jede Technologie verlangt ein hohes Maß an Spezialwissen sowie die Bereitschaft zur Frühphasenforschung, da so manche noch in den Kinderschuhen stecken und die Potenziale bei Weitem noch nicht ausgereizt sind.

Die große Gefahr für Unternehmen besteht nun darin, dass die technologische Kluft der Wissenden und Un-Wissenden noch weiter aufgeht und mit fortwährendem digitalem Müßiggang, fehlendem Verständnis und mangelnden Zugängen fast unüberwindlich erscheint. Eine wesentliche Maßnahme ist entsprechend unternehmensintern eine technologiefreudige Kultur zu etablieren und technologische Wissenträger zu entwickln.  

Was sind die wichtigsten technologischen Trends, mit denen sich Unternehmen heute dringend beschäftigen müssen. Was kommt auf uns in den nächsten Jahren zu?

Systeme und Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen (ML) basieren, werden sicher einer der wichtigsten technologischen Trends im 21. Jahrhundert sein. Längst sind KI-gestützte Sprachassistenten Alltag. Und während KI auf dem Weg zur Industrie 4.0 eine bedeutende Rolle spielt, wird sie insbesondere die Softwareentwicklung fundamental verändern. Bereits heute sind Milliarden von Geräten über das Internet vernetzt und die digitale und physische Welt soll weiter verschmelzen, während die Anzahl neuer Technologien und Applikationen wächst. Der Entwicklung von Software kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. KI-gestützte Softwareentwicklung soll nicht nur zu mehr Effizienz führen, sondern künftig auch Laien zur schnellen Programmentwicklung befähigen.

Dies wird auch den Trend der Hyperautomatisierung vorantreiben, welcher sich sämtlicher fortschrittlicher Technologien bedient, um auch unternehmerische Prozesse, die bisher von der Digitalisierung unberührt blieben, zu automatisieren. Auf Basis von Echzeitdaten sollen so hochkomplexe Aufgaben, bis hin zu strategischen Entscheidungen, valider und schneller gelöst werden.

Doch ist die gesamte technologische Entwicklung von einem großen Umdenken in Richtung “Nachhaltigkeit“ beeinträchtigt. Gerade in den vergangenen zwei Jahren erhielt die Nachhaltigkeitsdiskussion durch verheerende Umweltkatastrophen eine außergewöhnliche Dynamik. Ein Umdenken in Richtung umweltschonendem Wirtschaften ist unumgänglich. Der technische Fortschritt darf nicht mehr rein dem Wettbewerbsvorteil und der Profitsteigerung dienen, sondern soll zu einer Kreislaufwirtschaft mit CO2-neutralen Industrieteilnehmern beitragen.

So werden unter dem Begriff High-Öko-Technologien, Technologien diskutiert, die zu einer effizienteren, transparenteren und naturschonenderen Ressourcen-Allokation führen sollen. Denn die ökonomische sowie technologische Zukunft muss biophilen Grundsätzen folgen: nicht in der Abkehr sondern in der Zuwendung zur Natur wird in Zukunft unser Erfolg gemessen.

Du hast 2017 dein Buch “The Krypto Economy“ veröffentlicht. Um was geht es in dem Buch?

Das Buch beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen der Digitalisierung. Dabei werden insbesondere utopische Zukunftsbilder mit dystopischen Realitäten abgeglichen. Gerade mit den Enthüllungen von Edward Snowden im Jahr 2013 wurde diese Diskussion dringlicher, da damit die utopische Idee des Informationszeitalters als gescheitert galt und sich das Internet als Überwachungs- und Werbesystem entpuppte.

Mit dem Begriff “Krypto“ wurde die Digitalisierung mit dem fiktiven Mineral, Kryptonite, das die Comicfigur Superman beinahe tötet, um ihm dann unglaubliche Superkräfte zu verleihen, in Beziehung gebracht. Die Metapher impliziert die Natur des Digitalen: es verleiht den Menschen Superkräfte; doch birgt es auch zerstörerische Kräfte, die schreckliche Folgen nach sich ziehen können. Diese nun zu meistern und in konstruktive Bahnen zu lenken, scheint nun unsere Aufgabe zu sein. 

Wie sieht die Arbeitswelt in 30 Jahren aus? Was denkst du?

Ich denke das Einzige, was wir über die Arbeitswelt im Jahr 2050 sicherlich sagen können ist, dass es ganz anders sein wird als wir uns das heute vorstellen. Gerade im Zuge der fortlaufenden Technisierung besitzen viele die Angst, durch Maschinen ersetzt zu werden. Und diese Gefahr ist berechtigt. Doch erlebte die Menschheit die Dynamik der zerstörerischen und schöpferischen Kraft des Neuen in der Vergangenheit mehrfach. Und so manchen unsinnigen Job wird man sicher nicht nachtrauern. Doch stellt sich die Frage, was mit all den Menschen geschieht, die in einer hochtechnisierten Volkswirtschaft einen neuen Beruf suchen, doch die neu geschaffenen Berufe ein ausgesprochen hohes Spezialwissen verlangen.

Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung könnten wir volkswirtschaftlich einen Punkt erreichen, bei dem Massen von Menschen nicht mehr als Arbeiter gebraucht werden. Es geht daher möglicherweise in Zukunft nicht mehr um “Ausbeutung“ sondern eher um “Irrelevanz“ in der Arbeitswelt. Aber selbst das ist nur eine Spekulation. Niemand weiß, wie die Welt in 2050 aussehen wird. Doch eines ist sicher: es wird uns sicherlich überraschen.


Andrea Bauer ist Innovationsberaterin, Strategin und Autorin zu digitalen Zukunftsthemen. Sie ist Gründerin des BEAM Innovation Studios, eine Unternehmensberatung für digitale Geschäfts- und Projektentwicklung, Gründerin von DECRYPT, einer Lernplattform zu Digitaler Bildung und Mitbegründerin von D.DAY Network, einem Think-Tank zur Erkundung der Implikationen neuartiger Technologien in unserer Gesellschaft. Als Autorin veröffentlichte sie 2017 ihr jüngstes Buch „The Krypto Economy“ und 2013 ihr erstes Buch „Trusting in Mobile Payment“. Andrea ist seit 2017 Dozentin für “Innovation und Business Design“ im Masterstudiengang “Strategic Design“ der design academy berlin und unterrichtet die Fächer “Sustainability and Circular Design“ und “Future Tech“.

Eine Anmerkung zu unseren Buchempfehlungen: wir sind sehr dafür, dass Bücher beim kleinen Buchladen um die Ecke oder auch bei Shops wie Buch7 (die mit 75% ihres Gewinns soziale Projekte unterstützen) gekauft werden. Wir benutzen hier aus praktischen Gründen Links zum Amazon-Shop, weil wir dann u.a. die Buchtitel im Rahmen des Partnerprogramms zeigen dürfen. Das heisst noch nicht, dass Ihr darüber auch bestellen müsst, aber wenn Ihr das tut, verwenden wir die Einnahmen daraus (5% auf jede Bestellung) für die Community-Arbeit von LES ENFANTS TERRIBLES.

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