»female.vision«

  • 13.11.2019
  • von christiane kuerschner
Ein Interview mit female.vision-Begründerin Annette von Wedel ...
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Annette von Wedel hat die Vision, Geschlechterrollen und Klischees zu überwinden, was nicht nur Frauen von überkommenen Mustern befreien soll, sondern auch Männer. Der Startschuss ist der female.vision Summit, welches am 15. und 16. November 2019 in Berlin stattfindet. 

Liebe Annette, wie bist du auf die Idee gekommen, female.vision ins Leben zu rufen?

Ich hatte sie satt, die vielen Sonntagsreden, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern fordern oder zumindest als erstrebenswert in den Raum stellen, die von Vielfalt sprechen, aber im Handeln die Einfalt befördern. Ich hatte es satt, mir das Lamentieren darüber anzuhören, dass Frauen sich nicht trauen, dass sie ermutigt werden müssen, oder auch, dass es noch mehr Maßnahmen und Programme braucht, um Frau endlich ausreichend zu qualifizieren. Ich fand, dass es nicht länger sein kann, dass Frauen als irgendwie mangelbehaftete Wesen betrachtet werden, ein ewiger Reparaturfall, Sand im geschmeidigen Getriebe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Weil ich festgestellt habe, dass da irgendetwas nicht stimmen kann, habe ich Anfang dieses Jahres die Initiative female.vision gegründet.

Mit welchem Ziel?

Wir möchten eine Vision für die Welt in der wir leben, arbeiten und Kinder erziehen, entwickeln. Eine Vision, die aus weiblicher Perspektive die Systemfrage stellt, die deshalb nicht nur die bestehenden Strukturen und Kultur radikal hinterfragt, sondern vor allem auch die Rollenbilder und Geschlechterzuschreibungen. Ganz im Sinne von „don´t fix the women, fix the system“.

Arbeitet das neue System mit oder gegen die Männer?

Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Vision, die aus weiblicher Perspektive die (Arbeits) welt der Zukunft beschreibt, und eine Veränderung anstößt, auch eine (Arbeits)welt ist, die für Männer attraktiver ist, als das, was wir im Moment vorfinden. Denn wenn Rollenbilder und Klischees in unseren Köpfen, aber auch in Organisationen endlich überwunden werden, dann können auch Männer ihr Potenzial besser entfalten. Wir möchten aufzeigen, in welchen Arbeitsstrukturen und in welcher Arbeitskultur die Auflösung von bestehenden Rollen- und Geschlechterklischees – und die damit verbundene Erweiterung des Handlungsspektrums – nachhaltig gelingen kann.

Wie möchte female.vision diesen Wandel unterstützen?

Damit unsere Vision Wirklichkeit werden kann, braucht es viele, die mitdenken, mitdiskutieren und mitgestalten. Es braucht eine Plattform, die einen solchen übergreifenden Austausch ermöglicht, einen gemeinsamen Willensbildungsprozess initiiert und Raum bietet, um Neues zu erproben, zu gestalten und Aktionen gemeinsam zu planen. Deshalb lädt der Summit Frauen und Männer aus unterschiedlichen Organisationen und Institutionen sowie (Frauen)Netzwerke und Verbände ein, um gemeinsam ins Handeln zu kommen.

Kannst du uns etwas zu den Programmpunkten erzählen?

Der Summit ist als Arbeitstreffen geplant, das wie eine Art Forschungslabor funktioniert. Als WarmUp findet am 15. November in Kooperation mit den Veranstaltern der Berliner FuckUp Nights eine Premiere statt, die erste FuckUpNight – Female Edition. Frauen erzählen von ihrem beruflichen Scheitern, und davon, was daraus Neues entstanden ist. Beim Summit am 16. November sollen Impulse erfolgreicher AktivistInnen, u.a. von einer der Initiatorinnen  Maria 2.0, einer Bewegung von Frauen in der katholischen Kirche oder Äsma al Abidi, einer Aktivistin der Frühlingsrevolution in Tunesien dazu ermutigen, die vorherrschende Dominanz des männlichen Prinzips und damit bestehende (Macht)Strukturen, existierende (Werte)Kulturen sowie Rollenmuster in Frage zu stellen. Außerdem wird Julia Borggräfe, Abteilungsleiterin „Digitalisierung und Arbeitswelt“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in einem Impuls aufzeigen, welche Veränderungen die Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt mit sich bringen und was die Politik für eine Veränderung, für eine Humanisierung der Arbeitswelt, tun kann.

Ganz praktisch wird es in den insgesamt zehn Workshops. Hier steht das gemeinsame Entwickeln konkreter Aktionen für eine notwendige Veränderung der (Arbeits)Welt im Mittelpunk. Ziel ist es, heute ein Zeichen zu setzen, damit wir morgen in einer Welt leben, in der gleichberechtigte Teilhabe gelebte Realität ist.

Genauer gesagt sind es „30 Zeichen in 3 Monaten“.

Ja, genau. 30 Jahre nach Mauerfall soll am Ende des Summits das female.vision-Manifest stehen. Unter dem Motto „30 Zeichen in 3 Monaten“ werden 30 konkrete Aktionen, die in den Workshops entstanden sind, verabschiedet. Das ist unser Ziel, denn nur durch konkretes Handeln verändern wir unsere Realität und erschaffen uns die Welt, in der wir uns einander von Mensch zu Mensch begegnen. Der Zeitraum von 3 Monaten für die Umsetzung ist dabei lang genug, um Sichtbarkeit zu erreichen und vernehmbar zu werden. Ein erstes Fazit darüber, was wir bewegen konnten, erfolgt im ersten Follow-Up im April 2020.


Annette von Wedel ist Inhaberin des Beratungsunternehmens ANNETTE VON WEDEL CONSULTING. Ihr Anliegen ist es, Organisationen zu helfen, unter Berücksichtigung der vorhandenen Vielfalt, die Teamdynamik zu verstehen und aktiv zu beeinflussen. Darüber hinaus engagiert sie sich für mehr Frauen in Führungspositionen und die dafür notwendige Veränderung von Organisations- und Arbeitskultur.

Sie gründete gemeinsam mit Rosmarie Steininger (Inhaberin und Geschäftsführerin CHEMISTREE GmbH), Katja Anclam (Unternehmerin Spaceplant Media und international tätige TV-und Media Expertin mit Fokus China) und Sandra Baron (Inhaberin BCC-Baron Coaching & Consulting und Ambassador of European Network for female entrepreneurship) die female.vision.

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